Der Denkendorfer Patrick Eisemann wollte eigentlich Autoverkäufer werden. Jetzt ist er Rennfahrer im Porsche-Super-Cup – durch einen Zufall.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Der Schwabe Patrick Eisemann hat sich schon mächtig darüber geärgert, dass er ein schüchterner Junge war. Er wollte Rennfahrer werden, weil Michael Schumacher seine Kindheit prägte. Aber solche Träume seien ja so weit weg, dass man sie gar nicht erst zu formulieren wagt, sagt er. Also hat er seine Eltern in Ruhe gelassen – auch wenn das wohl ein Fehler war. Denn die meinen inzwischen: „Mensch Junge, warum hast du uns damals nichts gesagt?“

 

Über den zweiten Bildungsweg ist aus Patrick Eisemann doch noch ein Rennfahrer geworden – und deshalb sind jetzt alle begeistert. Der Vater, der einen Pkw-Ersatzteil-Großhandel besitzt, aber auch die Mutter. „Mein Vater ist happy, meine Mama komischerweise auch, und sie hat gar keine Angst, das ist für mich ziemlich überraschend“, sagt Eisemann. Die Mutter des Formel-1-Piloten Nico Rosberg kann dagegen nicht hinsehen und bügelt bei ausgeschaltetem Fernseher, wenn ihr Sohn um die Kurven fliegt.

Patrick Eisemann ist 24 Jahre alt und das, was er selbst einen „totalen Spätzünder“ nennt. Er steuert in Silverstone im Formel-1-Rahmenprogramm einen weißen Porsche. Eisemann ist Super-Cup-Pilot, seine ersten Fahrversuche im Rennsport machte er erst mit 20. All die anderen Jungs, die um ihn herum Gas geben, saßen schon als Achtjährige im Kart und machen seither nichts anderes als Rennen zu fahren.

Statt Autoverkäufer Rennfahrer

Patrick Eisemann wuchs in Fellbach auf, zog mit den Eltern nach Denkendorf, wo er es beim ortsansässigen TSV kurzzeitig mit dem Kicken versuchte und ein paar Trophäen bei Skimeisterschaften abräumte. Etwas älter geworden absolvierte er eine Ausbildung zum Automobilkaufmann. Er lebt noch bei den Eltern in einer Einliegerwohnung, sucht zurzeit aber etwas Größeres in Neuhausen auf den Fildern oder Nellingen. Er ist ein ganz normaler junger Mann mit natürlichen Abnabelungszielen. Der Weg als Autoverkäufer oder Mitarbeiter im Betrieb des Vaters schien vorgezeichnet. Und Schumis Weg zur PS-Ikone blieb nichts weiter als ein Traum.

Neulich aber jagte Patrick Eisemann seinen Porsche in Monte Carlo um die Kurven, später in Spielberg, jetzt in Silverstone – so wie früher auch Schumacher in der Formel 1. Eisemann ist ein zurückhaltender und sympathischer Zeitgenosse, und zurzeit wohl einer der glücklichsten Menschen im PS-Zirkus: Er ist Rennfahrer! Mit vielem hätte er gerechnet, nur nicht damit.

„Einmal in Monaco zu fahren, war für mich ein Kindheitstraum“, sagt Patrick Eisemann. Es ist ein bisschen wie im Märchen – denn ins Rennauto kam er wie die Jungfrau zum Kind. Als er nach einem haljährigen Auslandseinsatz in Südafrika für seinen Arbeitgeber Daimler zurückkam, nahm er an einer Oldtimer-Ausfahrt in Kempten teil, für die sich seine Eltern angemeldet hatten. Dort lernte er einen der Organisatoren des Scirocco-R-Cups kennen, der ihm eine Teilnahme an einer Junior-Sichtung in Oschersleben ermöglichte – erst vier Jahre ist das her. „Ich war völlig ahnungslos, wusste etwa über die Slickreifen nicht viel und wurde ins kalte Wasser geworfen“, erinnert sich Patrick Eisemann. Doch habe er sich dann gar nicht so schlecht angestellt.

Das Ziel ist die DTM – irgendwann

Am zweiten Tag ging es derart voran, dass er ein Angebot als Scirocco-R-Cup-Fahrer bekam. Dort fuhr der Denkendorfer zwei Jahre mit, wechselte danach in den Porsche-Carrera-Cup und stieg 2015 in den höher einzustufenden Super-Cup auf.

Die Ziele? „Ich sehe dieses Jahr als Lehrjahr, in dem ich erst einmal die Rennstrecken kennenlernen muss“, sagt Patrick Eisemann. Im nächsten Jahr möchte er dann aber „richtig angreifen“ – und sich langfristig für höhere Aufgaben empfehlen. Die DTM oder die Teilnahme an Langstreckenrennen wie den 24 Stunden von Le Mans wären solche Fernziele und Träume wie jener, der sich für Patrick Eisemann längst erfüllt hat. Ziemlich dufte an seinem Job ist auch, dass seine Kumpels in Denkendorf die Bezeichnung Rennfahrer genauso cool finden wie seine Mutter.