Seit zwei Jahren stellt Kenneth Dow in einem Anhänger Kunst aus - es ist „die Neue Kunsthalle Stuttgart“, wie er sagt. Mit Paul Kramer bekommt die aktuelle Ausstellung erstmals einen Klangkünstler.

Stuttgart -  Ich denke, mein Lieblingsinstrument ist das Cello“, sagt Paul Kramer (35), als wir ihn an der Neuen Kunsthalle Stuttgart treffen. „Ja, das Cello“, sagt er entschlossen und blickt auf die Halle. Die Neue Kunsthalle liegt auf dem Campus der staatlichen Akademie der Bildenden Künste am Killesberg. Sie hat eine eigene Adresse und eine Homepage. Kenneth Dow (23), Student an der Akademie, hat sie vor zwei Jahren ins Leben gerufen. „Mir war es wichtig, befreundeten Künstlern eine Plattform bieten zu können“, sagt er zur Entwicklung der Halle. Besonders auffallend ist an ihr, dass sie ungefähr vier Quadratmeter aufweist, zwei Fenster und eine Türe hat. Zudem sitzt die Halle auf zwei Rädern und lässt sich leicht mit einem Auto fort transportieren. „Die Halle selbst ist eine Art Kunstwerk“, sagt Dow, „ich habe sie selbst gebaut und entworfen. Sie kann x-beliebig an jeden Ort transportiert werden.“ Was Dow ausstellt, ist meist Konzeptkunst, Kunst die basierend auf der Halle entwickelt wird. Mitgründer der Palermo Galerie, Elmar Mellert, hat beispielsweise einst den Bau der Halle ausgestellt.

 

Was der Klangkünstler Paul Kramer nun jedoch zeigt, wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich. „Es ist eine E-Gitarre und ein Blitzableiter“, sagt er als wir vor den Fenstern der Halle stehen. In einem Gitarrenkoffer liegt das Ausstellungsstück, der Blitzableiter ist an ihr befestigt und geht von der Gitarre über den Koffer, hoch zur Wand der Halle, bis hinaus ins Freie. Dabei wirkt der Koffer in dem kahlen Raum, mit der abgekrachten Tür und dem Sprung im Fenster, wie ein Sarg. „Es ist die Flying V“, sagt Kramer, „die erste E-Gitarre, die sich in ihrer Gestaltung in eine modernistische Designtradition gestellt hat. Mit der ungewöhnlichen Form hatte sie zu Beginn Schwierigkeiten sich in der Branche durchzusetzen, erst später in der Heavy-Metal-Musik kam sie bei Bands wie Metallica oder Kiss zum Einsatz.“

Der Wechselstrom wird auch beim elektrischen Stuhl eingesetzt

Zwei Monate arbeitete Kramer an dem Konzept der Ausstellung. Über Ebay hatte er die Gitarre ersteigert, in Kornwestheim bei einem Flying-V-Sammler just abgeholt. Doch wieso holt sich Kramer, der das Cello liebt, eine E-Gitarre und verbindet sie mit einem Blitzableiter? „Bei der Ausstellung geht es um den Wechselstrom, der nicht nur bei E-Gitarren, sondern auch beim elektrischen Stuhl eingesetzt wurde. Für viele Heavy Metal Bands, war genau das die Inspiration“, sagt er. Gespielt hat Kramer die Gitarre nur kurz, bevor Dow und er sie in den Koffer setzten. Klingen tut sie nun nur noch, wenn tatsächlich der Blitz einschlagen würde, was Kramer bei der Vorstellung ein wenig zum Grinsen bringt. Schon länger hatte er die Idee von der Flying V, die mit der Verbindung des Blitzableiters zur Frying V wird - was übersetzt so viel wie, von der fliegenden Gitarre zur frittierten Gitarre, bedeutet. Und umgangssprachlich auf die Tötung durch den elektrischen Stuhl anspielt.

Kramer hat an der Kunstaka studiert. Mittlerweile lebt er in Berlin und beschäftigt sich hauptsächlich mit Klang- und Videokunst. Heavy Metal hört er allerdings nicht. „Mehr experimentelle Musik“, wie er sagt. Die Arbeit mit Gitarren hätte ihn jedoch schon immer fasziniert. „Du kannst sie im Sitzen spielen, im Stehen, du kannst sie zupfen, die Saiten greifen oder gar nur mit dem Mund spielen“, sagt er, als er genauer die Flying V im Koffer betrachtet. „Vielleicht ist sie auch doch mein Lieblingsinstrument“, muss er irgendwann zu geben. „Ja, das ist es“, sagt er entschlossen und blickt zufrieden auf die Ausstellung.

Ausstellung „Paul Kramer - Frying V“ in der Neuen Kunsthalle Stuttgart, am Weißenhof 1, ist bis zum 7. November zu sehen. Anfragen und Besichtigungstermine können unter Telefon: 015754545129, E-Mail: kontakt@neue-kunsthalle-stuttgart.de erfolgen.