Es könnte das Gesetz mit der geringsten Lebensdauer im baden-württembergischen Parlament werden: Wenige Tage nach der Beschlussfassung setzt der Landtag dazu an, das umstrittene Gesetz zur Altersvorsorge der Abgeordneten zu kippen.

Stuttgart - Der Landtag hat sich am Mittwoch angeschickt, die erst kürzlich beschlossene Neuregelung für die Altersversorgung von Abgeordneten einzukassieren. Die Fraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP brachten ein Aufhebungsgesetz ins Parlament ein. Es soll im März beschlossen werden.

 

Warum machen die Parlamentarier eine Rolle rückwärts?

Offenbar hatten sie den Sturm der öffentlichen Entrüstung unterschätzt, den sie mit ihrer Rückkehr zur Staatspension auslösten. Das Echo war verheerend: Die Parlamentarier sahen sich dem Vorwurf ausgesetzt, gierig zu sein und sich eine „Luxus-Rente“ zu genehmigen. Eine Kommentatorin sah die Abgeordneten „von allen guten Geistern verlassen“. Auch am Gesetzgebungsverfahren im Eiltempo entzündete sich Kritik. Wenige Monate vor der Bundestagswahl wollten die betroffenen Fraktionen die Kuh vom Eis bringen. Sonst wäre das Thema mit Sicherheit ein unangenehmer Dauerbrenner im Wahlkampf geworden.

Wie wurde der Plan koalitionsintern aufgenommen?

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wahrte öffentlich die Contenance. Er könne die Regelung nicht nachvollziehen, ließ er die Medien lediglich wissen. Hinter den Kulissen muss es aber kräftig gekracht haben. Der Regierungschef soll dem Vernehmen nach den Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz angeschrien haben. Der zeigte sich am Mittwoch im Landtag mehr als zerknirscht und gelobte öffentlich Besserung.

Was hatten die Parlamentarier beschlossen?

Die am 10. Februar mit den Stimmen von Grünen, CDU und SPD beschlossene Neuregelung sah vor, dass die Abgeordneten künftig zwischen einer privaten Altersvorsorge und der lukrativeren staatlichen Alterspension wählen können. Die Unterschiede sind frappierend: Wenn ein Abgeordneter 13 Jahre lang den ihm gewährten Höchstsatz von 1187 Euro in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen würde, hätte er einen Rentenanspruch von 812 Euro pro Monat. Mit der umstrittenen Staatspension erhält er nach 13 Jahren im Parlament aber eine Pension von 2475 Euro.

Warum werden die anderen Regelungen der Parlamentsreform nicht kritisch beleuchtet?

Offiziell soll sich die Kommission, die der Landtag einsetzen will, auf die Altersvorsorge konzentrieren. Die Gewerkschaften, aber auch der Arbeitnehmerflügel der CDU fordern, dass auch die erhöhten Pauschalen auf den Prüfstand gestellt werden. Auch in der Grünen-Fraktion wurde mit dem erweiterten Auftrag geliebäugelt. Dem trägt das Parlament aber keine Rechnung. Es bleibt voraussichtlich dabei, dass die Budgets für parlamentarische Mitarbeiter auf 10 438 Euro fast verdoppelt und die steuerfreie Kostenpauschale um 40 Prozent auf 2160 Euro im Monat erhöht werden. Im Landtag verwies man darauf, dass die Bundestagsabgeordneten von einer doppelt so hohen Mitarbeiterpauschale profitierten.

Was ist Auftrag der von den Fraktionen beschlossenen Kommission?

Sie soll eine angemessene und zeitgemäße Lösung für die Altersvorsorge der Parlamentarier erarbeiten. Dabei soll sie ergebnisoffen und unabhängig arbeiten. Als Mitglieder denkbar sind Staatsrechtler, der Landesrechnungshof, Politikwissenschaftler und Versorgungsexperten. Verbände wie der Verein Mehr Demokratie oder der Steuerzahlerbund sollen Vorschläge einbringen können.

Wann wird es eine neue Regelung geben?

Vor der Bundestagswahl wird das nichts mehr. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch prognostiziert, dass die Arbeit der Kommission erst zum Jahreswechsel beendet sein wird. Auf Basis von deren Empfehlungen müsse dann der Landtag erneut öffentlich debattieren und eine neue Regelung finden. Das jetzt einkassierte Gesetz wäre am 1. Mai in Kraft getreten.