Der Zwang zum Staatsschuldenabbau und die wachsenden Pensionslasten bringen Beamte erneut in die Defensive. Zugleich nehmen Überalterung und Personalnot zu. Der Deutsche Beamtenbund wechselt seinen Vorsitzenden in stürmischen Zeiten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Unlängst hat Paul Kirchhof, der bekannte Professor aus Heidelberg, sein neues Buch präsentiert. Darin beschreibt der frühere Verfassungsrichter radikale Wege, wie Deutschland seinen Gesamtschuldenberg von gut zwei Billionen Euro abtragen könnte. Bei dem Werk handelte es sich um eine Auftragsarbeit des Deutschen Beamtenbundes (DBB), weshalb es nicht überrascht, dass Kirchhof eine spürbare Beteiligung der Staatsdiener darin nicht vorsieht.

 

Dies freilich hat er selbst schon angeregt. In einer sieben Jahre alten Festschrift riet der Verfassungsrechtler: Der Staat müsse seine Leistungen in dem Maße reduzieren, in dem er seine Schulden und Zinslasten erhöhe. „Würden die Bezüge im öffentlichen Dienst für Beamte, Angestellte (. . .) um ein Prozent gekürzt, wenn die Staatsverschuldung um ein Prozent wächst, so wäre jede Zusatzverschuldung eine persönlich spürbare Last“, schrieb Kirchhof. „Alle Staatsbediensteten würden zu Sparkommissaren.“

Drastisches Sparpaket im Südwesten

Heute wäre dem Beamtenbund ein solcher Vorschlag von Kirchhof ziemlich unangenehm. Zu heftig tobt die Debatte über einen Abbau der Personalkosten bei den Staatsdienern – insbesondere in Baden-Württemberg, wo die grün-rote Regierung ein drastisches Sparpaket serviert hat. Dazu gehören Kürzungen bei der Beihilfe und Eingangsbesoldung sowie der Abbau von 11 600 Lehrerstellen.

Weil sich die Krise der Staatsfinanzen auswächst und spätestens 2020 die Neuverschuldungsbremse in Kraft tritt, geraten zunehmend die Pensionslasten in den Fokus. Fakt ist: Anfang dieses Jahres gab es fast 772 000 Pensionäre in Deutschland – Tendenz steil steigend. Somit explodieren die Versorgungsausgaben. Allein Baden-Württemberg hat 2011 schon zehn Prozent seines Haushalts, knapp 4,4 Milliarden Euro, für Pensionen ausgegeben. Binnen zehn Jahren wird sich die Summe fast verdoppeln. So rächt es sich, dass in der Vergangenheit stetig mehr Staatsbedienstete – Lehrer vor allem – eingestellt wurden.Zwar sorgt der Staat vor, indem er Rücklagen bildet. Beamtenbund-Chef Peter Heesen sagt sogar, dass „wir da in der Beamtenversorgung sozusagen weiter sind als bei der gesetzlichen Rentenversicherung“. Dies mag aber eher auf die Bundesbeamten zutreffen, nicht auf das Gros der insgesamt 1,8 Millionen Staatsdiener. Denn deren Arbeitgeber, die Länder, treffen zu wenig Vorsorge für die Pensionswelle.

Der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen hat für den Steuerzahlerbund errechnet, dass sich sämtliche schwebenden Versorgungsverpflichtungen im Bund und den Ländern bis zum Jahr 2050 auf 1,36 Billionen Euro summieren. Raffelhüschen fordert daher eine drastische Senkung des Versorgungsniveaus: Würde man wirkungsgleich alle Reformen im Rentenbereich auf die Beamtenschaft übertragen, müsste das Versorgungsniveau von 71,25 Prozent des letzten Bruttogehalts (nach 40 Jahren Arbeit) auf gut 60 Prozent sinken, sagt er. Insbesondere der Nachhaltigkeitsfaktor aus der gesetzlichen Rente müsse übernommen werden. Baden-Württembergs Beamtenbundchef Volker Stich bestreitet diese Sicht: Das Bundesverfassungsgericht und die Politik hätten die wirkungsgleiche Übertragung aller Rentenkürzungen mehrfach bestätigt. Würde dennoch eine starke Senkung beschlossen, „ziehen wir nach Karlsruhe“, droht er. Derartige Eingriffe wären gegen das Grundgesetz, zumal wenn sie nur den Etat entlasten sollen.

„Abstriche bei der Altersversorgung unvermeidlich“

Gleichwohl weiß Stich um das „sehr hohe Niveau der Altersversorgung in Deutschland“. Wegen der demografischen Entwicklung werde es in den nächsten zehn Jahren zu Abstrichen kommen müssen. Einschnitte bei den Pensionen will er jedoch nur zulassen, wenn sie vergleichbar bei den Renten vorgenommen werden. „In 20 Jahren sind wir – natürlich – in der Gegend, die Raffelhüschen angedeutet hat“, prophezeit Stich seinen Beamten.

Langfristig werde der Druck auf die Staatsdiener überall dort zunehmen, wo Grüne mitregieren, mutmaßt er mit Blick auf seine neuen Gegner in der Landesregierung. Sollte den Grünen 2013 gar die Rückkehr in die Bundesregierung gelingen, befürchtet Stich eine Grundgesetzänderung, bei der die verfassungsmäßige Verankerung des Beamtenverhältnisses gelockert wird. Das heutige Dienstrecht und die lebenslange Alimentation könnten dann womöglich für künftige Generationen nicht mehr gelten.Die Bedrohung ihrer Altersbezüge ist nicht die einzige Sorge der Beamten: Fast überall im öffentlichen Dienst mangelt es an Nachwuchs – allein in den kommenden zehn Jahren müssen nach DBB-Angaben 760 000 Mitarbeiter ersetzt werden, die aus Altersgründen ausscheiden. Ein Personalabbau ist wegen der zurückgehenden Schülerzahlen allenfalls bei den Lehrern gut zu verkraften. Zugleich hemmt jedoch die Überalterung der Belegschaften die Leistungsfähigkeit der Beamtenschaft. Nach Angaben der Polizeigewerkschaft (GdP) ist in den Ländern ein Durchschnittsalter der Beamten von 55 Jahren durchaus üblich. Zwar gehe bis 2021 jeder zweite Polizist in den Ruhestand, aber dies werde kaum zur Verjüngung der Belegschaft führen, weil zu wenig Nachwuchs neu eingestellt werde.

Vor allem der Polizeiapparat ist überaltert

Schon jetzt zeichnet sich ein harter Wettbewerb der öffentlichen Arbeitgeber um qualifizierte Bewerber ab. Deswegen haben sich auch Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nach Brandenburg dazu durchgerungen, Lehrer zu verbeamten – trotz hoher Pensionslasten in der Zukunft. Noch schlimmer träfe es die Länder, wenn sie alle jungen Kräfte gen Westen ziehen lassen müssten.

Die Vorteile des Beamtenstatus überwiegen demnach. Somit scheint auch die Debatte über eine allgemeine Entbeamtung beendet zu sein. Kein namhafter Politiker mag sich mehr mit Attacken gegen den Status vorwagen – was den Druck auf das Versorgungsniveau aber nicht verringert.