Die Tänzerin Alexandra Mahnke hat sich 24 Stunden fast gar nicht bewegt – nicht nur für sie, sondern auch für die Zuschauer eine intensive Erfahrung.

S-Mitte – Auf die Frage, ob sie es wieder machen würde, hat die Bühnentänzerin Alexandra Mahnke kurz nach ihrer 24-Stunden-Performance „Notwendigkeit“ in der Galerie Anouk Sauvage an der Werastraße nur eine kurze Antwort: „Ja!“ Sehr intensiv, so die Bewegungskünstlerin, sei die Erfahrung gewesen, die sie in der Zeit von Samstag 0 bis 24 Uhr gemacht habe. Und bei aller Anstrengung, die mit der äußerst reduzierten Bewegungsperformance einhergegangen sei, sei sie am Ende doch auch sehr euphorisiert gewesen – trotz Müdigkeit. „Mein Körper war voll Adrenalin“, so Mahnke. Begeistert war die Tänzerin aber nicht nur von der eigenen körperlichen Erfahrung, die die Tänzerin während der 24 Stunden gemacht hat. Sehr angetan war sie auch von den Zeichnungen der Künstlerin Ivana Gillé, die die Performance über den gesamten Zeitraum hinweg zeichnerisch dokumentiert hat. „Es war ein ganz besonderes Gefühl zu sehen, was da entstanden ist“, resümiert die Tänzerin. Beim Blick auf die Zeichnungen, die mal im Schnellverfahren mit nur ganz wenigen Strichen entstanden sind, mal aufwendig mit zahlreichen Schattierungen gestaltet wurden, erinnerte sich Mahnke denn auch an verschiedene Positionen, die sie während der 24 Stunden in dem hintersten der drei aneinandergereihten und sehr kargen Galerieräume eingenommen hatte.

 

Das Ziel war, die Besucher aus dem Alltagstrott zu reißen

Dass sie die 24 Stunden durchgestanden hat, erfüllt die zierliche Frau mit Stolz. Auch dass es ihr mit der Aktion gelungen ist, die Besucher, die vor allem gegen Ende der Performance in größerer Zahl in die Galerie strömten, in den Bann zu ziehen. Der Versuch, den persönlichen körperlichen Ausdruck auf das Notwendigste zu reduzieren ist durch die gezielte, dennoch im Ablauf aber durch und durch improvisiert Entschleunigung gut gelungen. Schön findet es Mahnke, dass es dem Anschein nach auch gelungen ist, die Besucher mit dem künstlerischen Kontrapunkt zum Nachdenken zu bewegen. Denn genau dies habe die Aktion zum Ziel gehabt: die Betrachter gefangen zu nehmen, aus dem Alltagstrott zu reißen und sie zu neuen Überlegungen über das Hier und Jetzt anzuregen.

Ivana Gillé und Norbert Mätzke, die im November des vergangenen Jahres die Galerie Anouk Sauvage in Stuttgart-Mitte eröffnet haben, waren auf die Tänzerin bei einem Theaterstück aufmerksam geworden. Gemeinsam entwickelten sie die Idee, in der Galerie einmal keine Bilder oder Skulpturen im klassischen Sinn zu zeigen, sondern solche temporär im Kopf der Betrachter entstehen zu lassen – durch die aufs Geringste reduzierten Bewegungen Alexandra Mahnkes in dem Raum mit weißen Wänden, grauem Boden, zwei Stühlen, zwei Matten und ebenso vielen Heizkörpern. Dazu ein mit Rollladen leicht abgedunkeltes Fenster und ein Türrahmen. Durch diesen musste gehen, wer mit Mahnke auf Tuchfühlung gehen wollte. Dies waren aber nur wenige. Die meisten der Besucher schließlich hielten respektvoll Distanz – schritten nicht durch den Türrahmen, sondern verfolgten die Performance mit neugierigen Blicken durch diesen hindurch.

Die Besucher waren angetan vom Statement

Den Raum mit Alexandra Mahnke geteilt hat sich indes über viele Stunden hinweg die Künstlerin Ivana Gillé – wenn auch in temporären Abschnitten. Gillé hat die Bewegungen Mahnkes – „In der ersten Stunde habe ich mich glaube ich nur ein einziges Mal bewegt“, so die Tänzerin – mit Bleistift auf Papier festgehalten. Die Zeichnungen, jeweils versehen mit der Uhrzeit, zu der sie entstanden sind, prangten am Ende eindrucksvoll im ersten Raum der Galerie, in dem Norbert Mätzke den Gästen auf Wunsch auch Getränke reichte. Schließlich verweilten nicht wenige Besucher länger als gedacht in der Galerie und waren angetan von dem, was sie als pure Entschleunigung erlebten und als ein außergewöhnliches Statement gegen die Hektik des Alltags.

Interessant für Alexandra Mahnke war, dass sie zu keiner Zeit negative Erfahrungen durch die Begegnung mit den Besuchern gemacht hat. Im Gegenteil: „Alle sind sehr respektvoll gewesen, das war sehr schön“. Auch wenn es nach Einschätzung Mahnkes sicher spannend gewesen wäre, wenn der eine oder andere Besucher mal die imaginären und keineswegs von ihr gezogenen Grenzen überschritten hätte.