Zuckerbäckerhaft filigran, gläsern scharfkantig: Perfume Genius hat in der Schorndorfer Manufaktur sein spitzes Falsett eingesetzt.

Stuttgart - Es ist schon eine Weile her, seit es das letzte Mal schwarze Lackstiefeletten auf der Bühne der Schorndorfer Manufaktur zu besichtigen gab. Das Schuhwerk war indes nicht die einzige Extravaganz, die Mike Hadreas am Mittwochabend in das Zentrum der Remstaler Alternativkultur mitbrachte. Mindestens so weit weg vom Mainstream: die Kompositionen des amerikanischen Songwriters, angesiedelt zwischen Kunstlied und Kirchenmusik, zwischen noisigen Independentklängen und glamourösem Elektropop – normalem Rock so weit abgewandt wie konventioneller Hitparadenware und so machtvoll hin- und hergerissen zwischen alternativen Genres wie sein Schöpfer zwischen den Geschlechteridentitäten.

 

Drei Alben lang hat Hadreas, der als Künstler in die Rolle des Perfume Genius schlüpft, mit seinen persönlichen Dämonen gerungen, die Demütigungen und Erniedrigungen besungen, die es als queere Transgenderpersönlichkeit im modernen Amerika so drastisch wie lange nicht mehr zu ertragen gilt.

Mit dem kürzlich erschienenen vierten Werk „No Shape“ nimmt er es nun auch mit den gesellschaftlichen Teufeln um ihn herum auf. Entsprechend gewachsen ist dabei auch seine Musik. Die Manufaktur bespielt dieser 1,90-Meter-Schlaks mit seinem von einer Morbus-Crohn-Erkrankung gebeutelten Körper mit mal melodischem, mal harsch gespreitztem Indierock und wehmütigen Balladen am E-Piano, dargeboten auch mal vierhändig mit seinem Keyboarder Alay Wyffels. Den Raum dazwischen füllen Krautrock-Anklänge, computergenerierte Streicher, drollige Country-Einwürfe oder sogar mal eine Jodeleinlage („Wreath“).

Eine Win-Win-Situation

Ihre interessantesten Momente hat diese Mischung an den Extrempunkten ihres Spektrums: berührend Hadreas’ zerbrechliche Solos wie im „Normal Song“, eher Klagelieder als nur Chansons; fulminant der Sound, wenn seine Band sozusagen die Klangpeitsche auspackt, der Drummer Herve Becart mit großem Paukenschlegel das Schlagzeug bearbeitet oder der Gitarrist Tom Bromley mit Plexiglasröhrchen bewaffnet über die Saiten gleitet und die Töne verwischt. Dann mischt sich in Songs wie „Slip Away“ die richtige Portion Lärm in diese mal zuckerbäckerhaft filigrane, dann gläsern scharfkantige Musik, die Hadreas mit spitzem Falsett und extrovertierter Körpersprache in die Manufaktur hineinträgt.

Irgendetwas, so verkündet dieser Mix aus Björk, Prince, Marc Almonds und Anhoni braucht der Mensch, um sich auszudrücken. Bei Perfume Genius ist es die Musik. In der Manufaktur hat sich daraus eine rund achtzigminütige Win-Win-Situation für den Künstler wie auch für die zirka 150 Besucher ergeben.


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