Das Land hat Bedarf an 8000 Erzieherinnen und Erziehern. Doch so groß sei die Personalnot nicht, dass deshalb Kitagruppen geschlossen oder Betreuungszeiten eingeschränkt werden müssten, sagen die Kultusstaatssekretärin Marion von Wartenberg und Roland Kaiser, der Chef des Landesjugendamts.

Stuttgart - Die Politik lasse die Kindergartenträger im Stich, klagte kürzlich ein privater Träger. Das lässt Marion von Wartenberg (SPD), die Staatssekretärin im Kultusministerium nicht auf der Koalition sitzen. „Der Vorwurf trifft in keinster Weise zu“, kontert sie. Der Träger hatte in Stuttgart angekündigt, dass er seine zehn bis elfstündigen Öffnungszeiten nicht mehr anbieten könne, weil das Personal fehle. Eine Mitschuld treffe auch die Landesregierung, die zu wenig für den personellen Ausbau tue.

 

So dramatisch stellt sich dem Gemeindetag die Situation nicht dar. Die meisten der Kindergärten im Land sind in der Obhut der Kommunen. Zwar sei es nicht einfach, Personal zu finden und die Angebote zu sichern, heißt es aus dem kommunalen Spitzenverband. Doch sind dem Gremium keine Gemeinden bekannt, die ihre Angebote generell zurückfahren mussten, weil es am Personal fehle. Vorübergehend könne es gleichwohl zu Einschränkungen kommen, wenn etwa mehrere Fachkräfte auf einmal ausfielen.

Betreuungszeit nicht eingeschränkt

Auch der Städtetag, der die großen Kommunen vertritt, hat nicht gehört, dass seine Mitglieder die Betreuungszeiten eingeschränkt hätten. „Das wäre ohnehin das letzte Mittel“, betont Benjamin Lachat, der Sozialdezernet des Städtetags. Engpässe gebe es in einzelnen Großstädten, bekannt sind Klagen aus Stuttgart. Auch in Grenznähe zur Schweiz sind Erzieherinnen knapp. Jenseits der Grenze ist der Verdienst bis zu einem Drittel höher.

Mit Vorwürfen an das Land halten sich Städte wie Gemeinden zurück. Lachat hat eher den Eindruck, dass in diesem Punkt Land und Kommunen ganz gut zusammen arbeiten. „Es bewegt sich etwas in der Breite“, konstatiert der Sozialdezernent. Die neue, duale Form der Erzieherinnenausbildung, PIA genannt, werde von allen Seiten als Erfolg gewertet, sagt Lachat. Mit 600 Teilnehmern begann vor drei Jahren das erste Ausbildungsjahr. Im Sommer werden die ersten so ausgebildeten Fachkräfte fertig.

Staatssekretärin: Land ist nicht untätig

Dass das Land untätig sei, weist von Wartenberg mit Macht von sich. „Fertig ausgebildete Fachkräfte lassen sich aber nicht auf Knopfdruck erzeugen“, schränkt die Staatssekretärin ein. Aus dem Programm PIA sind im kommenden Jahr mehr als 1200 weitere Examinierte zu erwarten, im aktuellen Schuljahr haben mehr als 1400 ihre dreijährige Ausbildung begonnen. Die Staatssekretärin konzediert einen aktuellen Bedarf von 8000 Fachkräften. Doch sie betont, „wir haben Ausbauziele“.

Als kurzfristige Maßnahmen wurde der Fachkräftekatalog ausgeweitet. So können nun beispielsweise Kinderkrankenschwestern oder Heilpädagogen als Fachkräfte anerkannt werden. Diese Ausweitung lobt der Gemeindetag ausdrücklich.

Auf Druck der Träger hat das Land vor zwei Jahren das so genannte Flexibilisierungspaket für die Betreuung von Kleinkindern verabschiedet. Gruppen können bei Bedarf erweitert werden. Dies habe zur Entspannung beigetragen, sagen die Kommunen. Doch haben weniger als sechs Prozent der Krippengruppen das in Anspruch genommen. „Es gibt Bedarf, aber keinen Grund zur Panik“, folgert Roland Kaiser, der Leiter des Landesjugendamts aus diesen Zahlen. Das Programm ist befristet bis 31. Juli, die Evaluation läuft.

„Argument nicht ernst zu nehmen“

Kaiser betont, „wir haben mehr Fachkräfte als je zuvor im System“. Seit 2007 verzeichne man einen 50-prozentigen Zuwachs. Der Mangel sei nicht so groß, dass Träger deshalb etwa Einrichtungen schließen müssten. „Das Argument ist nicht ernst zu nehmen“, sagt Kaiser. Er unterstreicht, das System gebe viel Flexibilität her. Bei Engpässen könnten Träger nicht voll besetzte Gruppen zusammenfassen, sogar trägerübergreifende Gruppen könnten gebildet werden. Auch die Zusammenarbeit mit der Tagespflege sei möglich. Oft träten auch organisatorische Probleme auf. Wenn die Träger dann frühzeitig das Landesjugendamt kontaktierten, seien diese häufig zu beheben. „Nur in Einzelfällen ist der Personalmangel das Problem“, sagt Kaiser.

Dennoch ist Kaiser davon überzeugt, dass Baden-Württemberg alleine den Fachkräftemangel nicht beheben kann. „Die Ausbildungszahlen müssen bundesweit steigen“. Auch wenn hierzulande die Fachklassen randvoll und die neuen Studiengänge sehr gefragt seien, wisse niemand, ob die Absolventen im Lande blieben.

Arbeitsbedinungen müssen attraktiver werden

Für Marion von Wartenberg sind attraktive Arbeitsbedingungen ein entscheidender Faktor gegen den Fachkräftemangel. Es gehe nicht nur darum, neues Personal zu gewinnen, sondern auch darum, das vorhandene zu halten. Sie will auch die Teilzeitquote senken. Mehr als die Hälfte der Fachkräfte haben keinen vollen Arbeitsvertrag. Entscheidend sind die Modalitäten. „Die Beschäftigten suchen sich ihren Arbeitgeber nach den pädagogischen Konzepten aus“, sagt die Staatssekretärin. Dass sich auf befristete Stellen niemand meldet, wundert weder sie noch Roland Kaiser.

Zu attraktiven Modalitäten gehören für von Wartenberg auch Möglichkeiten zur Weiterbildung und Qualifizierung. Die Staatssekretärin ist zuversichtlich: „Die Träger haben erkannt, dass sie da mehr Angebote machen müssen, das gehört zur Haltearbeit“. Fest stehe, bei der Qualität soll es keine Zugeständnisse geben. Das Land hinke zwar bei der Betreuungsquote noch hinterher, stehe aber in der Qualität ganz oben.