Es ist nicht leicht, richtige Leute für wichtige Jobs zu finden. Aber zum Glück sind Stuttgarter Unternehmen auch in dieser Hinsicht erfinderisch, meint Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Ach, immer diese Schwierigkeiten mit dem Personal. Da hatten sie in Bad Wurzach unter 80 Bewerbern endlich den perfekten, rundum gebildeten Chef für ihren Kurbetrieb gefunden – und dann das: Anstatt wie geplant über Wasser zu gehen (oder zumindest das alte Moorbad in eine blühende Landschaft zu verwandeln), machte der Heilsbringer Spesen und entpuppte sich bald als Hochstapler – alle Universitätsabschlüsse (Wirtschaftswissenschaften und Psychologie) gefälscht, die angebliche Promotionsurkunde mit Schreibmaschine und Tipp-Ex selbst gebastelt. Das Ergebnis: ein Jahr und fünf Monate Gefängnis auf Bewährung.

 

Hätten sich die Oberschwaben bei der Personalsuche mal auf so innovative Tipps wie jene des Zukunftsinstituts in Frankfurt verlassen. Selbiges verkündet, dass man im „War for talents“ neue Wege beschreiten müsse. „Ein Hochschulabschluss im Standard-Lebenslauf mag ein Hinweis darauf sein, dass der Bewerber viel weiß – doch darauf wird es in Zukunft nicht mehr ankommen“, heißt es in der Expertise. Wichtig sei vielmehr, dass die Arbeit „semantisch und situativ“ erledigt und die „Problemlösungskompetenz künftig stark von der spezifischen Situation her gedacht“ werde. Die Folge: „Mitarbeiter zu finden, die kontextualisieren und kreative Lösungen entwickeln können, wird eine der großen Herausforderungen sein.“

Der VfB spielt „Zurück in die Zukunft“ nach

Wie gut, dass die aufsteigenden Mittelständler in der Boomtown Stuttgart solche Grundsätze längst beherzigen. So hat die Fußballfirma VfB am Donnerstag 24 Minuten vor dem Ende der Transferperiode den Pfad der Jugend endgültig hinter sich gelassen und stattdessen den Science-Fiction-Film „Zurück in die Zukunft“ nachgespielt. In der Hauptrolle: Andreas Beck. Der Verteidiger ist zwar nicht so schnell wie einst Marty McFly in seiner Zeitmaschine, war aber früher schon mal in Cannstatt, weswegen er bestimmt auch jetzt wieder den Weg ins Stadion finden wird.

Abellio wiederum, jenes Unternehmen, das von 2019 an Nahverkehrszüge von Stuttgart nach Tübingen, Heilbronn oder Pforzheim fahren lässt, hat den Handball-Supercup in der Porsche-Arena dazu genutzt, im Publikum nach 250 neuen Lokführern und Schaffnern zu fahnden. Unter dem Motto „Wir haben richtig Zug drauf“ warb der private Bahnbetrieb mit Prospekten und Einspielern für sich, ehe Abellio-Chef Andreas Moschinski die Kampagne mit einem verbalen Kempa-Trick vollendete und frohlockte: „Wir sind ein dynamisches Unternehmen, das sich im sportlichen Wettbewerb um die ausgeschriebenen Netze durchgesetzt hat.“ Deswegen freue er sich „auf zahlreiche neue Kolleginnen und Kollegen für unsere Mannschaft in Baden-Württemberg“.

Bewerber dürfen Dirndl und Lederhosen tragen

Eher dem Hochbau verschrieben hat sich dagegen Wolff & Müller. Folgerichtig lädt das Stuttgarter Bauunternehmen „Studenten, Absolventen, aber auch Berufserfahrene sowie Quereinsteiger“ am 28. September zu einer Riesenradfahrt auf den Wasen ein. Zwischen 14 und 17 Uhr seien vier Gondeln reserviert. Zehn Minuten dauere eine Fahrt, bei der Paare, die jeweils aus einem Jobsuchenden und einem Personalreferenten bestehen, „in ungezwungener Atmosphäre ins Gespräch kommen“ könnten. Das „außergewöhnliche Event soll Bewerbern die Scheu vor dem Kontakt mit dem Unternehmen nehmen“. Daher dürften „die Teilnehmer gerne in Dirndl und Lederhosen zu uns kommen“.

Das ist Kompetenzabfrage in Bestform: Wer sich ins Riesenrad traut, ist auch bereit für Höhenflüge – und bei Ansicht der Klamotten ist sofort geklärt, ob die potenziellen Bauigel kleinkariert sind oder den Schurz wackeln lassen können.