Neue Technologien erlauben es zunehmend, die anorganische und organische Welt schon auf der molekularen Elemente zu manipulieren. Und der nächste Innovations-Urknall hat auch schon einen Namen: BANG.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Das Kürzel BANG steht für „Bits, Atome, Neuronen, Gene“. Ein Bild macht die Dimensionen anschaulich. 1997 schufen Forscher der Cornell University im US-Bundesstaat New York aus Silizium eine Gitarre in der Größe eine menschlichen Blutzelle – zehn Mikrometer lang, mit sechs Saiten, von denen jede etwa 100 Atome dick war (Ein menschliches Haar ist etwa hundermal dicker). Sie demonstrierten damit, über welche Manipulationsmöglichkeiten wir bereits heute verfügen.

Dass man mit dem winzigen Instrument keine Musik machen konnte, ließ die Forscher nicht ruhen. 2003 präsentieren sie eine neue Version der Nano-Gitarre, deren Saiten sich nunmehr auch in Schwingungen versetzen lassen. Da ein Plektrum zu groß ist, wird sie mit einem Laserstrahl gespielt.

Eingriffe in diesem Bereich werden zu den Basis-Innovationen künftiger Technologien gehören. Dazu zählen beispielsweise Computer aus organischen Molekülen, die um vieles kleiner sein und schneller funktionieren werden als heutige Rechner. Oder Nano-Maschinen, bei denen funktionierende Bauteile aus der Mechanik in Molekülgröße nachgebaut werden. Nach einer Schätzung des auf Technologieerkundung spezialisierten Marktforschungsunternehmens Lux Research wird der Weltmarkt für Produkte auf nanotechnologischer Basis bereits in wenigen Jahren den Telekommunikations- und IT-Markt übertreffen.

50 neue Werkstoffe pro Monat

Ein zentraler Entwicklungsbereich sind neue Materialien und intelligente Oberflächen. Die Forschung schafft immer vielfältigere neue Werkstoffe, und diese Designersubstanzen verändern die gesamte Industrieproduktion, von der Chipherstellung bis zum Autobau. Diesen neuen Substanzen widmen sich inzwischen ganze Unternehmen. Die Firma Material ConneXion beispielsweise - deren bisher in Köln ansässige deutsche Niederlassung gerade umzieht - verfügt über die größte derartige Materialsammlung der Welt – fast 5000 Proben mit neuartigen und ungewöhnlichen Materialien, im Durchschnitt kommen 50 neue Werkstoffe pro Monat dazu.

Auf der Suche nach geeigneten Werkstoffen für bestimmte Kundenbedürfnisse geht es nicht nur um die gewünschten Eigenschaften des neuen Produkts, sondern auch um den Fertigungsprozeß. Denn auf ihn kommt es an, wenn ein Material in der Serienproduktion bestehen soll. So lassen sich etwa Lichtleiter aus Glas nicht in elektronische Leiterplatten integrieren, das Produktionsverfahren wäre viel zu aufwendig. Da sie sehr schnell und wenig störanfällig sind, könnten solche Bauelemente aber die Leistung von Mobiltelefonen oder Laptops erheblich steigern. Deshalb sind Materialexperten sehr an einer Alternative interessiert.

Die scheinen Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg gefunden zu haben und zwar in Form eines speziellen „Ormocers". Es handelt sich dabei um einen durchsichtigen Kunststoff, dessen Molekülketten mithilfe eines Lasers zu filigranen Strukturen vernetzt werden können. Der Trick: Das Material wurde so entworfen, dass nur eine große Zahl von Lichtteilchen diese Vernetzung auslösen kann – und zwar genauso viele, wie ausschließlich im Brennpunkt des Laserstrahls erreicht werden. Und weil dieser Punkt nur 100 Nanometer groß ist, lassen sich so jetzt auch hauchdünne Lichtleiter in die Polymerschicht einbrennen.

Was sich im übrigen auch bei den Materialforschern zeigt, ist die Bedeutung von interdisziplinärer Orientierung und überraschender Querverbindungen. Manche Hersteller haben regelrecht Angst, dass ihr Material in falsche Hände gerät. Aber Umdenken kann sich lohnen. So hat ein Modedesigner in der Materialsammlung von ConneXion einen interessanten Werkstoff aus einer völlig anderen Sparte gefunden: Aus einem blauen Kunststoffgewebe, das bisher nur in Kühltürmen von Kraftwerken zu finden war, damit daran Wasser kondensiert, werden jetzt auch Handtaschen gemacht.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: