Eigentlich möchte man gar nicht wirklich wissen, was ein „butt recognizing car seat“ ist – aber womöglich ist es die Zukunft der digitalen Identitätserkennung in Fahrzeugen.

 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Forscher am Advanced Institute of Industrial Technology (AIIT) in Tokio haben eine hochmoderne Rube-Goldberg-Maschine entwickelt, die man aber nicht sehen kann (immerhin kann man auf ihr sitzen). Das heißt aber: der ganze Spaß ist weg.

Die nach dem 1970 verstorbenen Cartoonisten Reuben L. Goldberg benannte Rube-Goldberg-Maschine steht inbildhaft für Probleme, die der Mensch mit seinen Maschinen hat. Es sind Maschinen, mit deren Hilfe sich auf außerordentlich komplizierte Weise ein ganz einfaches Ergebnis erzielen läßt. Ob bei Indiana Jones durch Schatzsucher vertrackte Abwehrmechanismen ausgelöst werden oder erfinderische Bastler hochverknäuelte Systeme in Betrieb setzen, aus denen schließlich Kaffee tröpfelt oder kleine Jungs unglaubliche Klapparatismen starten, in denen Kugeln rollen, Wippen kippen, Kreisel schwirren und am Ende ein Streichholz angerieben wird, das eine Kerze entzündet – in allen Fällen haben wir es mit dem Prinzip der Rube-Goldberg-Maschine zu tun. Es demonstriert anschaulich die menschliche Fähigkeit, mit einem Maximum an Aufwand zu minimalen Ergebnissen zu kommen.

Tiefsitzende Identitätserkennnung

Die neue japanische Rube-Goldberg-Maschine führt die Technologien zur Identitätserkennnung in eine neue Dimension: Es handelt sich um einen Autositz mit, also: Hinternerkennung. Ein Sitz, der mit 360 verschiedenen Sensoren ausgestattet ist, die Informationen wie Körpergewicht, den Druck, der auf verschiedene Teile des Sitzes einwirkt oder die komplexe Art und Weise, wie ein Körper mit einem Autositz Kontakt aufnimmt, zu einem verrechenbaren Gesamtbild zusammenzufügen versucht. Eine Rube-Goldberg-Maschine eben.

Gedacht ist das Ganze als fortschrittliche Diebstahlssicherung. Sollte der Sitz zu dem Schluß kommen, dass das Gesäß, das sich gerade in ihn niedergelassen hat, nicht das des Fahrzeughalters ist, weigert sich das gesamte Fahrzeug, zu funktionieren. Der Anlasser startet erst, nachdem der Sitz sein OK gegeben hat. Die Entwickler sprechen von einer 98-prozentigen Wahrscheinlichkeit, mit der der jeweilige Eigentümer von dem Maschinenmöbel erkannt werde.

Die übrigen zwei Prozent aber bedeuten: Ein komplexer, sensorgespickter Sitz im Auto sorgt dafür, dass der Eigentümer des Fahrzeugs es möglicherweise nicht benutzen kann. Mancher Fahrzeugbesitzer könnte das als störend empfinden. Auch andere Fragen bleiben vorerst unbeantwortet. Was meint der Sitz, wenn man sein Auto mal an einen Bekannten verborgt? Oder wie geht der Sitz mit Menschen um, die gerade eine Crash-Diät absolviert haben oder sich nach einem dreiwöchigen Urlaub im Mehlspeisparadies Österreich mit ein paar Kilo mehr wieder in das heimische Fahrzeug wuchten?

Nichtkomischer Unsinn

Man darf sich fragen, ob es sich bei einem zu 98% funktionalen Autosesselinnenleben mit 360 Sensoren nicht vielleicht doch um das handelt, was man eine „Ingenieurserfindung“ nennt – eine reizvoll komplizierte Innovation, deren Notwendigkeit nur Vertreter der eigenen Zunft einzusehen vermögen. Das Maschinarium ist wie gesagt unter dem Sitzaufbau verborgen und steht also auch nicht bereit, irgend eine Art von visuellem Entertainment abzugeben. Nichtkomischer Unsinn.

Immerhin kann man sich vorzustellen versuchen, wie es sein wird, wenn nicht nur Autositze, sondern beispielsweise auch Parkbänke oder Schalensitze in Buswartestellen den Charakter der Menschen, die auf ihnen sitzen, erfassen und, wie es sich für eine immer transparentere Gesellschaft gehört, auch gleich bekanntgeben. Ich sehe erste Gerichtsverfahren vor meinem geistigen Auge, in denen jemand gegen ein beleidigendes Sitzmöbel klagt. Ich sehe Sesselbetriebssysteme mit schmeichlerisch-verlogenen Komplimentgeneratoren. Und ich sehe Autos, deren gesäßerkennende Sitze den berühmten Aston Martin DB5 mit dem Schleudersitz aus dem James-Bond-Film „Feuerball“ von 1965 ins 21. Jahrhundert herübermodernisieren. Für diese Inspiration ist den AIIT-Ingenieuren auf jeden Fall zu danken.

=

Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: