Anläßlich der Weltausstellung 1964 in New York schrieb der SF-Autor Isaac Asimov auf, wie er sich einen Besuch auf einer solchen Ausstellung 50 Jahre in der Zukunft vorstellte – im Jahr 2014.

 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Wie es sich für Visionen gehört, liegen Asimovs Entwürfe für‘s Künftige ein wenig im Nebel. So beschreibt er allgegenwärtige „elektrolumineszente Armaturen“, die manchen heutigen Betrachter an die Touchscreens von Smartphones, Tablets und E-Lesegeräten denken läßt (bei denen immerhin die Hintergrundbeleuchtung elektroluminesziert). Ebensogut kann man sich aber auch auf New-Age-Ambientlampen hingewiesen fühlen, die ihr Pastellspektrum in hingehauchten Wechseln durchlaufen, wenn der Autor von „sanft glühenden Decken und Wänden“ spricht, die er in den Räumlichkeiten des 21. Jahrhunderts vermutet. Dass Fenster nicht mehr in Mode sein sollen, dafür aber Untergrund-Städte, sieht man ihm nach; immerhin setzt er für die verbleibenden Scheiben hellsichtig auf die Entwicklung von photochromem Glas, das sich je nach Lichteinfall von selbst abdunkelt oder aufhellt.

Imbiss in der Algen-Bar

Neben der für die Sechzigerjahre typischen Lust an vollautomatisch zubereiteten Fertiggerichten findet sich eine ungewöhnlich realistische Prognose: „Ich vermute, dass es auch 2014 eine kleine Ecke in der Kücheneinheit geben wird, in der individuelle Gerichte von Hand zubereitet werden können.“ An kulinarischen Angeboten 2014 sieht Asimov auf der Weltausstellung eine „Algen-Bar“, in der „falscher Truthahn“ und „Pseudosteak“ serviert werden.

Roboter werde es zwar geben, „aber sie werden weder besonders verbreitet noch besonders leistungsfähig sein.“ Von den großen Elektronengehirnen im IBM-Pavillon des Jahres 1964 schließt er auf künftige, stark verkleinerte Versionen, die als „Gehirn“ eines Robo-Dienstmädchens fungieren werden. Natürlich werden im Jahr 2014 3D-Filme im Kino gezeigt, zu deren Vorstellung man sich allerdings nach wie vor drei Stunden anstellen muß – „manche Dinge ändern sich nie“. Zu Hause haben wandgroße Bildschirme die herkömmlichen Fernsehkisten ersetzt, stattdessen gibt es transparente Würfel, die dem 3D-Fernsehen im Wohnzimmer dienen.

Mondkolonien und Unterwassersiedlungen

Elektrogeräte werden kabellos von langlebigen Nuklearbatterien angetrieben, billige Nebenprodukte der weitverbreiteten „Kernspaltungs-Kraftwerke“. Sonnenkraftwerke in der Erdumlaufbahn lenken die gewonnene Energie mit großen Parabolspiegeln auf die Erdoberfläche, auf denen die überfüllten Highways durch Schwebefahrzeuge besser genutzt werden, die notfalls ganz ohne Straßen auskommen. Selbstverständlich gibt es auch Mondkolonien und Unterwassersiedlungen.

Nahe an den selbstfahrenden Google-Autos dagegen sind Asimovs „Fahrzeuge mit Roboter-Gehirnen“, die ein eingestelltes Ziel selbständig ansteuern, „ohne dazu die langsamen Reflexe eines menschlichen Fahrers in Anspruch nehmen zu müssen“ und die er als eine der Hauptattraktionen der Weltausstellung 2014 sieht. Warum mancher Heutige Asimov hellseherische Fähigkeiten unterstellt, weil er „die Videotelefonie vorausgesagt“ habe, ist allerdings nicht ganz nachzuvollziehen – zu den Ausstellungsstücken von Bell System gehörte 1964 bereits sowohl ein Picturephone als auch die Demonstration der ersten Computermodems. Und ein Jahr zuvor hatte Douglas Engelbart die Computermaus erfunden. Sich deren Siegeszug vorzustellen, überforderte aber auch alle anderen Science-Fiction-Autoren.

Massenleiden Langeweile

Der Ausflug in die Zukunft endet skeptisch. Trotz - oder wegen - der immensen Fortschritte in der Automatisation „leidet die Menschheit bitterlich unter Langeweile, die mit jedem Jahr an Intensität zunimmt“, weshalb Psychiater die mit Abstand verbreitetsten Fachärzte sein werden. „Die wenigen Glücklichen, die irgend eine Art kreativer Tätigkeit ausüben können, werden deshalb zu einer Elite der Menschheit gehören, die mehr tut als nur Maschinen zu bedienen.“

In einem hat Asimov sich übrigens grundlegend getäuscht: 2014 gibt es überhaupt keine Weltausstellung (und die von 1964 war im übrigen offiziell gar nicht anerkannt worden). Die nächste vom Bureau of International Expositions (BIE) abgesegnete Weltausstellung wird 2015 in Mailand stattfinden.

Isaac Asimov: „Visit to the World's Fair of 2014“ 

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: