Innovative Materialien und intelligente Oberflächen könnten die Industrieproduktion und unseren Alltag in Zukunft verändern. Eine in den USA erfundene elektronische Tapete verspricht nichts Geringeres als die interaktive Steuerung aller Haushaltsgeräte.

 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Diesmal geht es um nichts Geringeres als die Neuerfindung der Materie. Die Forschung schafft immer vielfältigere neue Werkstoffe und diese spezialisierten Designersubstanzen verändern die gesamte Industrieproduktion, von der Chipherstellung bis zum Autobau. Die 1997 in New York gegründete Firma Material ConneXion verfügt über die größte Materialsammlung der Welt – fast 5000 Proben mit neuartigen und ungewöhnlichen Materialien. Im Schnitt kommen 50 neue Werkstoffe pro Monat dazu. Auf der Suche nach geeigneten Werkstoffen für bestimmte Kundenbedürfnisse geht es nicht nur um die gewünschten Eigenschaften des neuen Produkts, sondern auch um den Fertigungsprozeß, denn auf ihn kommt es an, wenn ein Material in der Serienproduktion bestehen soll.

So lassen sich etwa Lichtleiter aus Glas nicht in elektronische Leiterplatten integrieren, das Produktionsverfahren wäre viel zu aufwendig. Da sie sehr schnell und wenig störanfällig sind, könnten solche Bauelemente aber die Leistung von Mobiltelefonen oder Laptops erheblich steigern. Deshalb sind Materialexperten sehr an einer Alternative interessiert. Die scheinen Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg gefunden zu haben, und zwar in Form einer speziellen neuen Stoffklasse, der Ormocere. Es handelt sich dabei um einen durchsichtigen Kunststoff, dessen Molekülketten mithilfe eines Lasers zu filigranen Strukturen vernetzt werden können. Der Trick: Das Material wurde so entworfen, dass nur eine große Zahl von Lichtteilchen diese Vernetzung auslösen kann – und zwar genauso viele, wie im Fokuspunkt des Laserstrahls erreicht werden. Und weil dieser Punkt nur 100 Nanometer groß ist, lassen sich so jetzt auch hauchdünne Lichtleiter in die Polymerschicht einbrennen.

Was sich auch bei den Materialforschern zeigt, ist die Bedeutung interdisziplinärer Orientierung und überraschender Querverbindungen. So hat etwa ein Modedesigner in der Materialsammlung von ConneXion einen interessanten Werkstoff aus einer ganz anderen Sparte gefunden. Umdenken kann sich lohnen. Aus einem blauen Kunststoffgewebe, das bisher nur in Kühltürmen von Kraftwerken zu finden war, damit daran Wasser kondensiert, werden jetzt auch Handtaschen gemacht.

Und neue Materialien und sogenannte intelligente Oberflächen spielen auch eine Rolle auf der Suche nach Interfaces und Interaktionsmöglichkeiten der Zukunft. Sie könnten zum Beispiel sein wie eine Tapete: Die Oberfläche dieser Living Wall genannten Tapete, die Studenten am MIT entwickelt haben, kann zur interaktiven Steuerung aller Geräte im Haushalt genutzt werden.

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Und hier wie immer der Tweet der Woche: