Das widersinnige Prinzip des Depublizierens öffentlich-rechtlicher Sendungen im Netz gehört abgeschafft.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Die öffentlich-rechtlichen Sender sind seit Ende 2010 einer Regel unterworfen, die mit der digitalen Realität nur noch wenig zu tun hat. Nach der sogenannten Sieben-Tage-Regel müssen bereits gebührenbezahlte Beiträge aus den Mediatheken oder aus anderen Plattformen wie YouTube oder Soundcloud nach sieben Tagen wieder gelöscht werden. Dafür hat sich der grauenhafte Begriff depublizieren eingebürgert. 2004 hatten sich die Privatsender bei der EU-Kommission darüber beschwert, dass die deutsche Rundfunkgebühr eine unzulässige staatliche Beihilfe und damit „wettbewerbsverzerrend“ sei.

„Die Idee eines zeitlich limentierten Zugangs zu Inhalten fühlt sich per se nicht richtig an“, schreibt Tobias Schwarz von den Netzpiloten, besonders wenn diese Inhalte solidarisch von fast allen Bürgern finanziert wurden.“ Nun soll das Reglement neuerlich auf den Prüfstand. In einer Sitzung hat sich der WDR-Rundfunkrat jüngst dagegen ausgesprochen und fordert von der zuständigen Bund-Länder-Kommission „das Ende der Sieben-Tage-Regel und die Schaffung klarer Kriterien.“

Wissen statt Waffen

Anderswo hat man den Blick diametral entgegengesetzt auf die Zukunft gerichtet. 2005 nahm die Amerikanische Kongreßbibliothek die 13.000 Quadratmeter eines leerstehenden Atombunkers im Mount Pony bei Culpeper, Virginia, in Besitz, um ihre unschätzbaren Film- und Tonaufzeichnungen künftig in einem National Audio-Visual Conservation Center unterbringen zu können. Zu Zeiten des Kalten Krieges hatte sich die US-Zentralbank hier ein Ausweichquartier für einen Atomkrieg eingerichtet und Währungsreserven von ein paar Milliarden Dollar eingelagert. Das Conservation Center hält die umfangreichste Sammlung an Filmen, Ton- und Videoaufzeichnungen, Radio- und Fernsehsendungen, die von Edison und Bell bis in unsere Tage reicht. Im Mount Pony sollen 900.000 Filme und 2,6 Millionen Schellacks, Tonbänder, Audiocassetten und CDs unterkommen.

Sowas wäre auch hierzulande nicht schlecht. Als Heinrich Breloer im 2004 mit den Dreharbeiten zu dem Dreiteiler „Speer und Er” begann, wollte er auf das Filmprotokoll eines Gesprächs zurückgreifen, das er 1980, ein Jahr vor dessen Tod, mit Hitlers Rüstungsminister Albert Speer geführt hatte – aber die Bänder waren weg. Nicht verschludert, sondern beim NDR nach 20 Jahren vorschriftsgemäß aus dem Archiv entsorgt.

Opfer mangelnden Kopierbewußtseins wurde auch die britische BBC. Unbekannte stahlen vier Masterbänder einer acht Millionen Pfund teueren 13-teiligen Fernsehserie über Robin Hood und forderten dafür ein „Lösegeld" von einer Million Pfund. (Robin Hood, wir erinnern uns, hat sich selbst gern als „König der Diebe” bezeichnet.)

Manchmal läuft es auch umgekehrt und es tauchen Aufzeichnungen wieder auf, mit denen niemand mehr gerechnet hatte. So überstanden zwei CDs der schottischen Folkrock-Gruppe Runrig den Untergang der Raumfähre „Columbia", die am 1. Februar 2003 beim Landeanflug verglühte. Eine der CDs fanden die Spurensucher der NASA unter 83.000 Trümmerfundstücken in einem intakten CD-Player.

Ein unkatastrophalerer Zugang zu audiovisuellem Material wäre wünschenswert.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: