Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Was denkt der Hund? Und wie geht es ihm überhaupt? Er sagt ja nichts und knurrt oder bellt nur manchmal. Dieses Kommunikationsproblem auf neue, technisch unerwartete Weise zu beheben, ist die Nordic Society for Invention and Discovery (NSID) aus dem schwedischen Malmö angetreten. Das zugehörige Projekt heißt No More Woof (NMW) und soll in ein mobiles Gerät zur Übersetzung von Hundegehirnströmen münden, die Auskunft über die Absichts- und Gemütslage eines Vierbeiners geben. Bei einer Finanzierungskampagne auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo kamen mit rund 22.600 Dollar mehr als das Doppelte der angepeilten 10.000 Dollar zusammen. Hier kann man „das erste Gerät, das tierische Gedanken in menschliche Sprache übersetzt“ angeblich schon mal vorbestellen. Aussehen soll die Gerätschaft dann später einmal so.

Technische Tiergemütserkennung

Begonnen hat das Ganze als Schnapsidee. Projektleiter Tomas Mazetti und sein Bruder hatten sich spaßeshalber gefragt, was wohl passieren würde, wenn man dem Hund ihrer Mutter eines der neuen EEG-Headsets aufsetzt. Die Idee machte die beiden so neugierig, dass sie ein solches Headset bestellten. Der Hund produzierte auch brav Gehirnwellen: „Es ist nicht besonders kompliziert“, sagt Mazetti. Wenn ein Hund wirklich ruhig, müde oder wütend ist, kann man das ganz leicht erkennen. Man kann das zwar auch ohne EEG-Headset ganz leicht erkennen, aber das ist natürlich nicht innovativ.

Bei den nachfolgenden Experimenten wurde das EEG mit einem Chip und einem kleinen, portablen Lautsprecher verbunden, der künftig das im Hunde wallende Gemüt in gängige Menschensprachen übersetzt hervorbringen soll. Dann wurde auf dem Crowdfunding-Portal Indiegogo eine Kampagne gestartet. Man sei „nach wie vor bei der Grundlagenforschung ... aber wir sind optimistische Träumer. Und, was noch wichtiger ist, wir wollen AUFMERKSAMKEIT auf diesen wissenschaftlichen Bereich richten und andere auf die hier schlummernden Potentiale aufmerksam machen!“

Guerilla-Future-Marketing

Die NSID, die sich selbst als „vollkommen neue Art von Zukunftslabor“ bezeichnet, hat auch noch andere Produkte im Portfolio, darunter den iRock, einen Schaukelstuhl mit iPad-Stativ und einem Transmissionsrädchen zur Rückgewinnung der Schaukelenergie, und die Nebula-12-Indoor-Wolke, eine wolkenförmige Lampe mit Wettervorhersagefunktion (beides für eine Schweizer Möbelfirma). Dann den Wall of Sound, als „größter iPhone-Lautsprecher der Welt“ apostrophiert. Hier taucht auch zum ersten Mal die Bezeichnung Studio Total auf – eine schwedische Marketing- und Werbeagentur, die für das ganze kreative Geschwirr verantwortlich zeichnet und die bekannt ist für ihre PR- und Guerilla-Marketing-Aktionen.

2005 gründete Studio Total im Auftrag des Schwedischen Nationaltheaters erfolgreich eine „Kulturpartei“. 2010 erzeugten die Kreativen weltweite Aufmerksamkeit für das Thema ungleiche Bezahlung, indem sie die Feministin Gudrun Schyman 100.000 schwedische Kronen (etwas mehr als 10.000 Euro) verbrennen ließen. Der Wall of Sound warb für ein schwedisches Textilunternehmen. Und im Juni 2012 steuerte Tomas Mazetti mit einer Begleiterin ein Flugzeug ungenehmigt von Litauen nach Weißrussland, wo sie erst über der Stadt Iwianiec 500 mit „Redefreiheit“ bestempelte Teddybären und Flyer mit Protestslogans abwarfen und anschließend eine zweite Ladung über dem Südwesten der weißrussischen Hauptstadt Minsk.

Im Licht dieser Aktivitäten sieht das mit der Hundedenkmaschine natürlich nicht mehr ganz so rein grundlagenforscherisch aus. Was die Crowdfunding-Kampagne angeht, muß man vielleicht noch wissen, dass professionelle Crowdfunder inzwischen erst einmal selber Geld einlegen, oft nicht unerhebliche Summen, um die allgemeine Spendenfreude in Schwung zu bringen (ähnlich wie versierte Bettler die ersten Münzen selbst in den Hut legen). Es wäre natürlich nur Spekulation, wenn man sich überlegt, wie das eigentlich wäre, wenn die Ideengeber selbst die gesamte Funding-Summe aufgebracht hätten – 20.000 Euro sind, wenn man es recht bedenkt, für eine PR-Kampagne mit internationaler Wirkung eigentlich ein Klacks. Dafür läßt man auch schon mal ein EEG vor die Hunde gehen.

=

Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: