Beim Petersburger Dialog zwischen Deutschen und Russen hätte sehr viel besprochen werden können: etwa die Krise in der Ukraine. Doch in Leipzig verweigerten sich die Macher des Forums der Aktualität.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Leipzig - Es hätte sehr viel zu besprechen gegeben. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland befinden sich in der schwersten Krise seit dem Ende des Kalten Krieges. Doch beim Petersburger Dialog, den das Deutsch-russische Forum in Leipzig veranstaltete, wurde dazu geschwiegen. Es wurden keine Fragen zum Bruch des Völkerrechts auf der Krim durch Moskau gestellt, der Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine war kein Thema, die Provokationen durch paramilitärische Truppen aus Russland auch nicht.

 

Nie in der Gesichte der Veranstaltung wäre ein Dialog der Zivilgesellschaften wichtiger gewesen, doch die Veranstalter arbeiteten stattdessen konsequent ihr Programm ab. Sie konzentrierten sich auf die akademische Beleuchtung der jahrhundertealten Geschichte des deutsch-russischen Verhältnisses, was angesichts der Toten in der Ukraine reichlich verfehlt wirkte.

Viele unbeantwortete Fragen

Allein Gernot Erler unternahm einen fast schon verzweifelten Versuch, die Krise in der Ukraine in den Mittelpunkt zu rücken. „Wir sind an einem Punkt, an dem etwas zerstört wird, an dem wir Jahrzehnte gearbeitet haben“, warnte der Russland-Beauftragte der Bundesregierung. Es könne nicht verstehen, warum die Absprachen des Genfer Abkommens nicht eingehalten würden, dass die militanten Gruppen noch nicht entwaffnet und die Plätze und öffentlichen Gebäude noch nicht geräumt seinen. Das war dem Moderator dann doch zu viel der Aktualität. Artig bedankte er sich bei dem SPD-Politiker für den interessanten Redebeitrag und erteilte das Wort dem Historiker Herfried Münkler, der die Zuhörer über den Stellenwert Kants in den deutsch-russischen Beziehungen aufklärte.

Nach der Veranstaltung dürfte die Zukunft des Petersburger Dialogs noch stärker in Frage gestellt werden. Zumal in diesem Jahr nach der Absage der traditionellen Konsultationen beider Regierungen wegen der Ukraine-Krise nur eine Rumpfveranstaltung übrig geblieben war. Ursprünglich angesetzt auf zwei Tagen, standen in Leipzig nur zwei historische Vorträge und eine müde Diskussionsrunde auf dem Programm. Eingerichtet vor mehr als zehn Jahren als Kommunikationsplattform für die Zivilgesellschaft, monieren Kritiker immer wieder die personelle Dominanz von Vertretern aus der deutschen Wirtschaft in den Gremien oder auch die zu starke Fokussierung auf die russische Nomenklatura. Zudem sei der Petersburger Dialog längst ein Gremium der grauen Häupter, die ohne Elan und neue Ideen ihre alten Positionen verteidigten.

Reformen vergeblich angemahnt

Andreas Schockenhoff, über Jahre Koordinator der Bundesregierung für die gesellschaftspolitische Zusammenarbeit mit Russland, unternahm mehrere Anläufe, das Forum zu reformieren. Die Organisation sollte flexibler, die Arbeit ergebnisorientierter werden. Doch die kritische Haltung des CDU-Politikers gegenüber der russischen Politik passte nicht zu der an harmonischer Zusammenarbeit orientierten Ausrichtung des Forums. Inzwischen firmiert Erler als Russland-Koordinator. Er gilt als diplomatischer als sein Vorgänger. Doch sein verbal robuster Auftritt in Leipzig lässt erahnen, dass den Verantwortlichen des Petersburger Dialog nicht noch einmal die in Leipzig demonstrierte Realitätsverweigerung gestattet wird.