Pfarrerin Bettina Gehring verlässt im September das Marienhospital. Die Seelsorgerin wechselt ins Lehramt und kümmert sich um Kinder und Jugendliche.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Im Krankenhaus haben Menschen auf einmal viel Zeit, um nachzudenken. Plötzliche Krankheiten oder Not-Operationen werfen auch gestandene Männer und Frauen aus der Bahn. „Viele realisieren dann, dass alles gar nicht so selbstverständlich ist“, so die Erfahrung von Bettina Gehring. Patienten brauchen in solchen Momenten nicht nur Tabletten oder Operationen, sondern auch jemand, der ihnen zuhört. Darum kümmert sich im Stuttgarter Marienhospital die Seelsorgeeinheit. Drei katholische und drei evangelische Pfarrer stehen dafür zur Verfügung.

 

Sechs Jahre war Bettina Gehring in diesem Team. Zum neuen Schuljahr verlässt sie das Krankenhaus und wechselt aus familiären Gründen an das Degerlocher Wilhelms-Gymnasium. Dort wird sie als Religionslehrerin arbeiten. Die Entscheidung hat sie aus freien Stücken getroffen. Der Abschied fällt ihr dennoch schwer. „Die Atmosphäre hier im Haus wird mir sehr fehlen“, sagt sie. Das Marienhospital sei geprägt von dem Einfluss der Vinzentinerinnen. Die Ordensschwestern engagieren sich überall im Haus, auch abseits ihrer Gottesdienste. Das präge eine Klinik, findet Gehring.

Respekt vor der Arbeit von anderen

Die Werte dort haben sich ihr tief eingeprägt. Sie habe nicht nur für sich persönlich viel gelernt in dieser Zeit, sondern vor allem eine große Hochachtung vor den pflegerischen Berufen entwickelt. „Das sind so unglaublich wichtige Berufe, für die oft so wenig Geld in die Hand genommen wird“, bedauert die Pfarrerin. Respekt vor der Arbeit von anderen sei es, was sie vor allem im Krankenhaus gelernt habe.

Auch, dass jeder Patient gleich ist. Gehring ist für jeden Patienten da, unabhängig von der Konfession. Für muslimische Familien etwa hat sie extra den Koran auf CD, weil sie weiß, dass es für die Gläubigen immens wichtig ist, ihn beim Abschied von einer geliebten Person anzuhören. Wenn Patienten es wünschen, dann betet Gehring einfach mit ihnen.

Nicht immer geht es um Tod oder Krankheit

Manchmal hilft die Pfarrerin auch mit ganz banalen Dingen aus. „Mit Farben und Papier zum Beispiel“, sagt sie. Viele hätten das Bedürfnis, ihre Ängste und ihre Sorgen zu Papier zu bringen. Für sie gehe es vor allem darum, was eine Familie im Moment brauche. Entsprechend unterstützen sie und ihre Kollegen die Menschen dann. Nicht immer geht es in den Gesprächen um Tod oder die Krankheit selbst. „Oft sind es ganz alltägliche Dinge, die plötzlich Raum haben“, erzählt Gehring. Lebens-, Beziehungs- und Familienkrisen beschäftigen die Patienten dort noch viel mehr als im Alltag.

Ansprechpartner ist Bettina Gehring als Seelsorgerin auch für die Mitarbeiter des Klinikums. Gerade die Ärzte und die Pfleger auf den Intensiv- oder Palliativstationen, für die die Auseinandersetzung mit dem Tod tägliche Arbeit ist, kommen oft zu ihr. Auch wenn Gehring manch schwere Gedanken und Ängste nicht lösen kann, hilft auch hier einigen schon allein das Gespräch. Dann zum Beispiel, wenn sie auch auf die schönen Dinge aufmerksam macht. „Es gibt kaum eine Station, auf der so viel gelacht wird, wie auf der Palliativstation“, sagt Gehring, die in den Vereinigten Staaten ihre Ausbildung zur Seelsorgerin absolviert hat. Davor hatte sie in Berlin, Heidelberg und Princeton evangelische Theologie studiert.

Zu ihrem Studium war die 45-Jährige über die Arbeit mit Kindern in der Jungschar und im Kirchenchor gekommen. Nach einem Einführungsseminar an der Uni Berlin war für sie ihr Weg klar. „Dabei konnte ich davor mit Theologie nicht viel anfangen“, erzählt sie. Besonders gläubig aufgewachsen sei sie ebenfalls nicht. Bereut habe sie ihre Entscheidung jedoch nie.