Sie wollten alten und kranken Menschen helfen, doch damit ist Schluss: Die Stuttgarter Caritas gibt die Kooperation mit einer indischen Klinik wegen rechtlicher Hürden auf.

Stuttgart - Die Pflegeheime suchen händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern. Die Personalnot macht die Träger erfinderisch. Die Stuttgarter Caritas hat deshalb bereits im vergangenen Jahr ein Ausbildungsprojekt in Indien entwickelt, das in diesem Jahr anlaufen sollte. Das Vorhaben ist jetzt allerdings am deutschen Zuwanderungsrecht gescheitert.

 

„Wir sind ein paar Jahre zu früh dran. Ich bin sicher, dass sich Deutschland in den nächsten Jahren stärker öffnen muss, wenn wir keinen Notstand in den Pflegeheimen haben wollen“, sagt Kurt Greschner, der zuständige Bereichsleiter bei der Stuttgarter Caritas.

Der katholische Sozialverband hat die Verhandlungen mit den indischen Partnern längst abgeschlossen: „Wir könnten in kürzester Zeit mit der Ausbildung starten“, sagt Greschner. Zusammenarbeiten wollte die Caritas mit einer Klinik in dem Bundesstaat Kerala im Südwesten Indiens, die Kranken- und Altenpfleger ausbildet – und die mit Hilfe der Stuttgarter auch Deutschkurse anbieten könnte.

Gute Erfahrungen gemacht

„Wir würden uns mit unseren Mitarbeitern an der Ausbildung beteiligen, um sicherzustellen, dass der Abschluss dem deutschen gleichwertig ist“, erklärt Greschner. Die Idee war, den Schülern die Möglichkeit zu geben, bereits einen Teil der Ausbildung in Stuttgart zu absolvieren und ihnen nach ihrem Abschluss eine Beschäftigung in Stuttgart anzubieten. Die Caritas hat in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen mit indischen Pflegekräften gemacht, auch zurzeit arbeiten 26 indische Ordensfrauen in den Pflege- und Behindertenheimen der Caritas in Stuttgart. „Ohne die Schwestern wüssten wir nicht, wie wir den Betrieb in den Heimen sicherstellen sollten“, räumt Greschner ein.

Mit weltlichen indischen Mitarbeitern aber kann die Caritas vorerst nicht rechnen. Das Vorhaben scheitert am Bundesgesetz, wie Clemens Homoth-Kuhs vom Regierungspräsidium erläutert. Er verweist auf die Beschäftigungsverordnung, die zwar eine erleichterte Einreise beispielsweise für hochqualifizierte Wissenschaftler, IT-Fachkräfte, Ordensleute und Sportler aus Nicht-EU-Staaten vorsieht, nicht aber für die Pflegekräfte. „Das Regierungspräsidium und die Ausländerbehörden haben keinerlei Ermessensspielraum“, sagt Homoth-Kuhs. Gerda Kinateder vom Stuttgarter Ausländeramt bestätigt: „Es gilt der Anwerbestopp aus den 1970er Jahren. Wir haben eine undankbare Position. Wir sitzen zwischen den Stühlen, können aber nichts machen.“ Eine Veränderung herbeiführen könne allein die Politik.

Inländisches Potenzial

Die Stuttgarter CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Maag verweist in einem Schreiben an die Caritas Stuttgart unterdessen auf das inländische Potenzial an geeigneten Arbeitskräften, das jedenfalls zuerst ausgeschöpft werden müsse. Darauf setzt auch das Bundesarbeitsministerium, in Berlin, das eine Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive für die Altenpflege ins Leben gerufen hat.

Unterstützt werden soll beispielsweise die gezielte Nachqualifizierung von Helfern und Betreuern in der Pflege, gefördert werden soll auch der Wiedereinstieg von Frauen in der Familienpause. Auch eine erleichterte Zuwanderung gehört zum Konzept des Ministeriums, allerdings nur bei Hochqualifizierten, wie Ärzten und Maschinenbauingenieuren. Bei Pflegekräften dagegen verweist das Bundesarbeitsministerium auf die Zuwanderung aus den EU-Staaten, insbesondere aus den acht Mitgliedstaaten, für die seit dem 1. Mai 2011 die unbeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt und unter denen sich Estland, Polen und die Slowakei befinden.

Kurt Greschner von der Caritas winkt ab: „Wir haben seit dem 1. Mai 2011 nur eine einzige Anfrage aus Ungarn bekommen, das war es.“ Möglich ist auch die Anwerbung von Pflegekräften aus Kroatien, weil die deutsche Arbeitsagentur mit der kroatischen Arbeitsverwaltung dazu eine Vereinbarung abgeschlossen hat – eine Möglichkeit, die auch die Beschäftigungsverordnung im Pflegebereich vorsieht. Aber auch aus Kroatien kommen bis jetzt nur wenige ausgebildete Pflegekräfte nach Deutschland, nach Auskunft der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Arbeitsagentur sind es bundesweit weniger als hundert im Jahr.

Pflegekräftemangel abmildern

Um den Pflegekräftemangel abzumildern, wünscht sich die Stuttgarter Caritas eine vergleichbare zwischenstaatliche Vereinbarung mit Indien oder eine Lockerung des Anwerbestopps für Pflegekräfte ganz generell. „Wir wissen von unseren Partnern in Indien, dass die in der Klinik ausgebildeten Fachkräfte fast alle auswandern, nur eben nach Großbritannien und Australien und nicht nach Deutschland.“ Der Bereichsleiter hofft auf ein baldiges Einlenken der Bundespolitik: „Wir sehen doch jeden Tag, dass auf dem inländischen Arbeitsmarkt nichts mehr zu holen ist.“ Greschner verweist auf die Bemühungen der Stuttgarter Träger, die gemeinsam um Auszubildende werben und die inzwischen alle auch verstärkt ausbilden. „Wir werden aber auf Dauer ohne eine stärkere Zuwanderung nicht auskommen“, so Greschner.

Das Europäische Institut für Gesundheits-und Sozialwirtschaft (IEGUS) in Berlin, das auch deutsche Ministerien berät, jedenfalls arbeitet bereits an einem Konzept für eine Migrations- und Ausbildungspartnerschaft zwischen Indien und Deutschland. „Wir sehen in diesem Bereich eine politische Entwicklung. Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen gerät immer mehr ins Bewusstsein“, sagt Meiko Merda von IEGUS. Das Ziel seines Instituts sei, die Pfleger nach ethischen Grundsätzen und nicht nach dem Staubsaugerprinzip anzuwerben.