Von Kritik und vorschnellen Urteilen hat sich ein Pflegeheim nicht abbringen lassen und reiste mit einer Gruppe von Bewohnern nach Mallorca. Das Erlebnis veränderte alle, die dabei waren.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Korntal-Münchingen - Erika Böttcher war nicht aufzuhalten. Strandpromenade – schön und gut. Aber sie wollte ans Meer. Und sie schaffte es. Mit Rollator – und mit tatkräftiger Hilfe. Dass die alte Dame spüren konnte, wie ihr der weiche Sand die Zehen kitzelte, dass sie sogar ein Stück weit hineinkonnte in die klare, türkisfarbene See, das verdankt sie drei Pflegekräften, einer Ehrenamtlichen, einer ambitionierten Pflegeheim-Leitung und einer Reihe von Spendern. Sie halfen, dass der Traum von einer Mallorca-Reise für eine Gruppe pflegebedürftiger, teils an Demenz leidender Bewohner vom Münchinger Seniorenzentrum Spitalhof wahr wurde. Und das, obwohl das Heim einiges Unverständnis geerntet hatte, als es für sein Vorhaben die Werbetrommel rührte. Alte Menschen in einem solchen Zustand, lautete der Tenor, bräuchten doch nun wirklich keine Flugreise auf die Balearen mehr anzutreten.

 

Für Patricia O’Rourke, die Leiterin des Heimes, gibt es keinen Zweifel: „Die Reise war genau die richtige Entscheidung.“ Sonne, Wind, Meer und die wohlwollende Atmosphäre in einem behindertengerechten Hotel in Cala Millor hätten die Gemüter der sechs Senioren aufgehellt. Und nicht nur das: „Unsere Bewohner haben durch diesen Urlaub eine neue Wertschätzung im Menschsein erfahren“, sagt sie. Zum Beispiel, indem sie sich selbstbestimmt an einem Hotelbuffet aussuchen konnten, was sie essen mochten – für Otto-Normal-Urlauber eine Selbstverständlichkeit.

Genau hinschauen, wo man den Bewohnern Gutes tun kann

Aber auch ihre Mitarbeiterinnen Susanne Vogt, Sigrid Tüchter und Teodora Kieler hätten abseits des Heimalltages wertvolle Erfahrungen gemacht, sagt O’Rourke, die selbst nicht mit von der Partie war. „Bei so einem Betreuungsschlüssel und außerhalb der gewohnten Abläufe lernt man die Bewohner noch mal ganz anders kennen.“ Die alten Menschen selbst nahmen die Mitarbeiterinnen während des Urlaubs weniger als Heim-Personal wahr denn als gute Bekannte, denen sie allerdings bedingungslos vertrauten. Ob bei Ausflügen, die mit behindertengerechten Fahrzeugen problemlos klappten, oder alltäglichen Notwendigkeiten, die alleine nicht mehr bewältigt werden können.

Die Eindrücke von der Reise sieht O’Rourke auch als Verpflichtung, immer wieder den Blick zu justieren, feinfühlig in der Beobachtung zu sein „und genau hinzuschauen, was wir unseren Bewohnern Gutes tun können“.