Fliegende Vorstandswechsel: Celesio-Chef Markus Pinger treibt den Umbau des Pharmahändlers voran. Im Vorstand sitzt nun kein einziges Mitglied mehr aus der Ära des Ex-Chefs Fritz Oesterle.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Knapp ein Jahr ist Celesio-Chef Markus Pinger nun im Amt. Seitdem hat der frühere Beiersdorf-Manager bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hingewiesen, dass es bei der von ihm begonnenen Neuausrichtung vor allem um die Konzentration auf das Kerngeschäft Pharmagroßhandel gehe. Doch der Mann, der bisher für die Sparte mit einem Umsatzanteil von mehr als 80 Prozent zuständig war, gehört seit dem 1. Juli nicht mehr zur Führungsriege. Das Vorstandsmitglied Wolfgang Mähr verlasse Celesio „auf eigenen Wunsch und im besten Einvernehmen“, hatte das Stuttgarter Unternehmen am vergangenen Freitag in einer knappen Presseerklärung mitgeteilt.

 

Mährs Vertrag, der erst vor einem halben Jahr bis Ende 2014 verlängert worden ist, endet nun zum 30. September. Bis dahin ist er freigestellt. Folgerichtig wurde Mährs Konterfei bereits aus der Fotogalerie der Vorstandsmitglieder im Internet entfernt. Aktuell sind dort neben dem Vorsitzenden Markus Pinger nur die Köpfe des Marketingvorstands Stephan Borchert (seit 1. August 2011) und der Finanzchefin Marion Helmes (seit 1. Januar 2012) zu sehen. Die Suche nach einem Nachfolger für Mähr sei bereits im Gange, sagte ein Unternehmenssprecher. Zum Zeithorizont wollte er sich nicht äußern – genauso wenig wie zu den Hintergründen von Mährs Rückzug.

Neuer Zuschnitt der Vorstandsressorts

Wie zu hören ist, war Mähr, der seit 1. Oktober 2006 im Celesio-Vorstand saß, nicht mit dem Neuzuschnitt der Ressorts zum 1. Juni einverstanden. Der Österreicher habe sich „darin nicht wiedergefunden“. So verlor er unter anderem die Zuständigkeit für den boomenden brasilianischen Markt, auf den die Stuttgarter für die Zukunft große Hoffnungen setzen. Möglicherweise war man bei Celesio auch nicht ganz zufrieden mit der Entwicklung des von Mähr verantworteten Großhandels. So ging in der wichtigsten Konzernsparte der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) im ersten Quartal 2012 um rund acht Prozent auf knapp 87 Millionen Euro zurück.

Mit Mähr hat das letzte noch verbliebene Vorstandsmitglied aus der Ära des früheren Celesio-Chefs Fritz Oesterle die Chefetage verlassen. Ende 2011 hatten bereits Christian Holzherr sowie Michael Lonsert ihre Posten geräumt. Holzherr verantwortete den Bereich Finanzen, Lonsert war für die Sparte Manufacturer Solutions zuständig, die unter anderem Dienstleistungen für Pharmahersteller anbietet und noch in diesem Jahr verkauft werden soll. Oesterle selbst hatte Celesio wegen Differenzen mit dem Mehrheitsaktionär Haniel Ende Juni 2011 verlassen. Im Celesio-Vorstand gehe es zu „wie in einem Taubenschlag“, hatte ein Aktionär auf der Hauptversammlung mit Blick auf die vielen Ab- und Zugänge gelästert.

„Schneller, schlanker, effizienter“

Der Umbau an der Spitze ist Teil des Restrukturierungsprogramms, mit dem Pinger die jährlichen Kosten um 50 Millionen Euro senken und mittelfristig wieder ordentliche Gewinne erzielen will. In der bisherigen Struktur mit fünf Vorstandsressorts hätten die einzelnen Sparten und die ihnen zugeordneten Ländergesellschaften weitgehend isoliert voneinander operiert, teilte Celesio bei der Bekanntgabe der Veränderungen Anfang Juni mit. Dadurch seien „erhebliche Synergiepotenziale“ nicht genutzt worden. „Das wollen wir jetzt ändern und Celesio schneller, schlanker, effizienter und innovativer machen“, sagte Pinger. So soll die neue Struktur unter anderem eine stärkere Bündelung des Einkaufs ermöglichen. Auch könnten die Geschäfte des Großhandels und der eigenen Apotheken besser aufeinander abgestimmt werden.

Vor dem Umbau im Vorstand hatte Pinger bereits den Verkauf der Dienstleistungstöchter Movianto und Pharmexx sowie der bei niedergelassenen Pharmazeuten verhassten Online-Apotheke Doc Morris in die Wege geleitet – bisher allerdings ohne konkrete Erfolge. Abschreibungen von mehreren Hundert Millionen Euro und hohe Anlaufverluste bei den von Pingers Vorgänger Oesterle gekauften Tochterfirmen haben mit dazu beigetragen, dass der Gewinn von Celesio im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 23 Milliarden Euro unter dem Strich nur noch rund eine Million Euro verdient hatte. Im ersten Quartal ergab sich sogar ein Minus von 5,4 Millionen Euro.

In Zusammenhang mit dem Restrukturierungsprogramm sind in Deutschland nach Unternehmensangaben bis jetzt rund 180 Stellen abgebaut worden, davon etwa 50 in der Stuttgarter Zentrale. Außerhalb Deutschlands fielen rund 300 Arbeitsplätze weg. Aktuell werden hierzulande 3100 Mitarbeiter beschäftigt. Weltweit sind es rund 35 000 Mitarbeiter. Durch die geplanten Verkäufe dürfte die Zahl bis zum Jahresende auf etwa 29 000 zurückgehen.