Mit dem aus Südkorea stammenden Pianisten Da Sol Kim ist am Freitag das Pianistenfestival Böblingen eröffnet worden, bei dem in den kommenden Wochen immer freitags im Kongresszentrum namhafte Pianisten zu erleben sind.

Böblingen - Wie aus einer fernen Ewigkeit scheint der Beginn von Wolfgang Amadeus Mozarts c-Moll-Fantasie KV 475 aufzusteigen. Ein unendlicher Raum, den der 1986 in Südkorea geborene Da Sol Kim dehnt, bis auch das letzte Nebengeräusch im Württemberg-Saal der Kongresshalle endgültig verstummt ist.

 

Die Magie des Beginns hält sich über die Wiederholung des ohrwurmhaften Materials, und auch noch im subtil verzögerten Anspielen der Melodie. Doch schon da steigen Zweifel auf, denn der eröffnete Bogen scheint ins Leere zu fallen. Liegt es an den kalten, kristallinen Spitzen des hellen, obertonreichen Diskantes im Sauter-Flügel? An der disparaten Akustik des kompakten Raumes und seiner höchst unbefriedigenden Klangverteilung? Oder doch an der Konzeption der Interpretation des Pianisten?

Beeindruckende Kraftentfaltung

Da Sol jedenfalls stürzt sich mit einer Vehemenz in diese Fantasie, als wolle er sich warmspielen für die spätere Liszt-Sonate. Beeindruckende Kraftentfaltung, technische Brillanz und eine Tempo-Härte und Festigkeit in der rhythmischen Bewegung, die ihn eigentlich prädestiniert für Mozart. Die lyrischen Momente in der kaleidoskopartigen Reihung der Einfälle bleiben aber seltsam seelenlos in dieser mit radikaler Rationalität und in der vollen Härte der Architektur des Stückes gebotenen Wiedergabe. Konsequent immerhin der glasklare Fatalismus, mit dem diese tragisch getönte Fantasie in Moll hier endet.

Relativ weich und durchaus wärmer beginnen dann die Fantasiestücke op. 12 von Robert Schumann, als wolle Da Sol Überzeugungsarbeit leisten, dass er sich durchaus auf den romantischen Grundton dieser Musik verstehe. „Sehr innig“ will dann aber auch „Des Abends“ nicht klingen. Eine wirklich ausdrucksvolle Langsamkeit scheint an diesem Abend, direkt von New York herangejettet, nicht Da Sols Sache. Immerhin entschädigt der Künstler mit entfesselter Expressivität und Virtuosität sowie mit der überragenden Klarheit seines Spiels, selbst im Prestissimo noch brillant artikulierend. Und absolut treffend sind die vielen, koboldhaften Momente, wenn die Rhythmik der Musik den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheint.

Finsteren Dramatik von Franz Liszt

Ganz bei sich ist Da Sol Kim dann in der finsteren Dramatik von Franz Liszts einsätziger Monster-Sonate in h-Moll. Selbst die aberwitzigsten Figurationen und Schichtungen von Akkordgebirgen gibt er mit stupender Sicherheit – und Dank seines zupackend-kraftvollen Spiels auch mit Überzeugungskraft. Grandios ist sein ungebundenes Tonleiterspiel, das eben kein Staccato ist, erdbebenhaft gemeißelt die Akkordschläge – und wenn er die Pianissimi bis an den Rand des Verstummens führt, machen die extremen Kontraste des Werkes auch ihn ihrem Ausdrucksgehalt Sinn.

Die Überraschung des Abends gibt es dann ganz zum Schluss mit der Zugabe. Mit Chopins „Regentropfen-Prélude“ findet Da Sol Kim tatsächlich eine Balance zwischen grimmigem Ausdruck und kantabler Linie – und zeigt sich erstmals ganz als ein Musiker, der nicht nur als ein veritabler Pianist zu beeindrucken, sondern auch als Klangkünstler zu berühren vermag. Und im reichen Beifall schien die Sehnsucht mitzuschwingen, davon noch eine Zugabe zu bekommen. Nun aber war Schluss.