Drei Choreografen, ein Stück: Ob viele Schritte-Köche den Tanzbrei verderben, kann man bei „piano piano“ überprüfen. Das skandinavische Joint Venture hat am Mittwoch in Ludwigsburg Station gemacht.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Ludwigsburg - „piano piano“ heißt der Abend. Und beim Betrachten des Tanzstücks, für das drei renommierte skandinavische Choreografen gemeinsame Sache machten, versteht man schnell, dass nicht nur sein Titel, sondern seine ganze Haltung ein Gegenentwurf ist: Langsam! Leise! Mit Bedacht! Wer wollte das nicht dem raschen Lauf der Welt, den lauten Äußerungen populistischer Besserwisser und ihrem Drang zur schnellen Lösung entgegenhalten.

 

Der Finne Kenneth Kvarnström, der Schwede Örjan Andersson und die Norwegerin Ina Christel Johannessen wollen. Und dass sie dies in „piano piano“ mit sieben Tänzern zur live gespielten Klaviermusik von Franz Schubert tun, darf man durchaus als weiteres Statement verstehen. Vor allem aber sorgt die Pianistin Asuka Nakamura beim Gastspiel am Mittwoch im Forum in Ludwigsburg im Dialog mit dem Tanz für eine große Fülle an Zwischentönen. Nicht nur am edlen Flügel, selbst am dumpfen Stubenklavier, das in vielen, wunderschön verzierten, antiquarischen Varianten wie für eine Auktion die Bühne füllt, gelingt das der Japanerin.

„Piano piano“ sucht die intime Atmosphäre eines Salons

Schubert also. Der Österreicher mit seiner Vorliebe fürs Verweilen statt fürs Vorwärtseilen, fürs Suchende, Fragende im Klang zog das Fragmentarische dem Perfekten vor. Und so ist auch dieser Tanzabend als Versuch angelegt. Entstanden ist er 2015 als Folge einer TV-Dokumentation, die unterschiedliche Arten des Probens erkundete. Für die Bühnenversion bringen die drei Choreografen eigene Ideen und die eigene Kompanie ein; ein krankheitsbedingter Ausfall sorgte beim Gastspiel im Ludwigsburger Tanz-Forum dafür, dass eine Tänzerin allein unter fünf Kollegen war – und doch wirkt „piano piano“ wie aus einem Guss.

Ein sanftes Erkunden der Musik ist das Stück im ersten Teil. Barfuß, in schwarzen Kostümen mit historischen Andeutungen begegnen die Tänzer einander, sinken sich in die Arme, stützen und heben das Gegenüber fast beiläufig. Die intime Atmosphäre eines Salons spiegelt der Tanz, der sich mit feinen Gesten, mit zart sich drehendem Fließen auf die Musik und den anderen einlässt und der die Kultur eines bedächtigen Miteinanders feiert. Dennoch sind die Momente selten, in denen sich alle einig sind und Bewegungen synchron fließen. Gerade, als man sich an diesem friedvollen Zufluchtsort sattzusehen beginnt, dringt das Außen ein – erst mit bedrohlichem Wummern, dann drischt es mit metallischen Schlägen Schuberts Ohrwürmer klein.

Auch der Tanz wird lauter, aufmüpfiger, schließlich sind fünf Männer im besten Aggressionsalter auf der Bühne, die zeigen wollen – und dürfen – , was in ihnen steckt. Die Scheinwerfer, die wie gleißende Sonnen auf- und abgesenkt werden, unterstreichen Stimmungen. Und die wollen nun durchaus auch bedrohlich sein, wenn ein Wesen unter schwarzer Haube sich wie ein Gnom windet, wenn fünf attackieren.

Im Tanz hält dieses Tempo keiner lange durch, und so beendet zumindest auf der Bühne gemeinsames Singen den Spuk, am Ende versammeln sich alle zum trauten Gruppenbild mit Piano – während sich draußen neuer Sturm aufbaut.