Pierre M. Krause ist die typische Nischengestalt des Fernsehens. Am Freitag entert der Karlsruher Allrounder als Teil der Quizshow „Sag die Wahrheit“ das Vorabendprogramm der ARD. Ein spätes Sprungbrett?

Stuttgart - Wer nicht ohne Strom auf der Alm groß geworden und heute um die vierzig ist, wurde mit großer Wahrscheinlichkeit vom Fernsehen sozialisiert. Pierre M. Krause zum Beispiel stammt aus Karlsruhe, wo es Ende der siebziger Jahre zwar schon Gerichte von nationalem Rang gab, aber weder Wolkenkratzer noch Weiden. Kurzum: Die Stadt war ideal für fernsehgeprägte Erinnerungen. „Im Frotteeschlafanzug mit der Familie vorm Röhrenfernseher sitzen, um Frank Elstner zuzusehen, wie er einem Baggerfahrer beim Öffnen eines rohen Eis toi toi toi wünscht“ – da wird dem Moderator, wie er es von Nostalgie erfüllt ausdrückt, bis heute „ganz warm ums Herz“. Fast so warm wie beim Gedanken an „Was bin ich?“, der Mutter aller deutschen Rateshows.

 

Das ist kein Wunder, schließlich konserviert Pierre M. Krause die Wärme seit rund zehn Jahren Woche für Woche als Mitglied der SWR-Sendung „Sag die Wahrheit“. Geleitet von Michael Antwerpes entlarvt er darin gemeinsam mit Kim Fisher, Ursula Cantieni und Smudo zwei von drei Kandidaten als Lügner, die sich möglichst unverdächtig als jemand anderes ausgeben. Seit 2005 ist das Format der Inbegriff öffentlich-rechtlicher Abendunterhaltung: kurzweilig, aber harmlos, mithin perfekt für die Nische. Krauses Nische. Ein Biotop, in dem sich der Fernsehanalytiker, Late-Night-Host und Showmoderator bald die Hälfte seiner vierzig Jahre pudelwohl fühlt.

In der Welt der messbaren Quote

An diesem Freitagabend jedoch folgt der lang erwartete Schritt ins Rampenlicht: „Sag die Wahrheit“ wandert ins Erste und mit ihm das Stammmitglied Krause, der fast von Anfang an mitmischt in dieser deutschen Neuauflage eines amerikanischen Quiz der fünfziger Jahre. Klingt nach Aufstieg, nach einem Schritt auf der Karriereleiter. Doch für Pierre M. Krause ist der Ausflug in die Welt der messbaren Quote zugleich ein Risiko. Am finanziell wie atmosphärisch wichtigen ARD-Vorabend gibt es ja nicht nur viel Geld zu verdienen, sondern noch mehr Renommee zu verlieren.

Das werberelevante Umfeld zwischen Schmunzelkrimis und Stirnrunzelkrimis ist seit geraumer Zeit ein Massengrab televisionärer Ansprüche und also auch eine Gefahr für Krauses soliden Ruf im gehobenen Fernsehfeuilleton. Das aber ist dem gelernten Bankkaufmann mit Kurzfilm-Erfahrungen herzlich egal. „Ich mache im weitesten Sinne Unterhaltung zwischen anspruchsvoll und volkstümelnd“, sagt er im Schnellfeuerduktus seiner leicht knarzigen Mikrofon-Stimme und lacht dabei ständig das Lachen desjenigen, der sich seiner Sache überaus sicher ist.

Es ist die Sache der geborenen Rampensau, die optische Makel schon als Neuling im Business einfach wegentertaint hat. Andere, besser aussehende Kollegen wie Manuel Möglich, Sarah Kuttner und Micky Beisenherz haben immer noch ihr Äußeres als Backup verpatzter Pointen. Pierre M. Krause hat dafür hinter der etwas zu hohen Stirn mit den etwas zu engen Augen über den etwas zu kraterartigen Tränensäcken ein erstaunlich exaltiertes Ego, mit dem er sein Talent zum lässigen Zwiegespräch mit viel Chuzpe und noch mehr Niveau ins Publikum peitscht. „Es laufen wesentlich schlechtere Sendungen zu wesentlich besseren Sendezeiten auf wesentlich besseren Sendeplätzen“, sagt er über seine „Pierre M. Krause Show“, die kürzlich Folge 500 gefeiert hat. Understatement klingt anders.

Vorbei an der Firewall des Selbstschutzes

Man kann dieses Selbstbewusstsein gut im Internet bestaunen. Wenn er bei „Inas Nacht“ noch lauter brüllt als die hinreißend vulgäre Gastgeberin oder sich beim Telefonstreich mit Karolin Kebekus noch gröber zeigt als die schmerzfreie Komikerin, dann wird deutlich: Pierre M. Krause gibt immer alles, an jeder Firewall des Selbstschutzes vorbei. Mit diesem löchrigen Panzer vorm engsitzenden Anzug, den das SWR-Gewächs schon trug, als den Voll-bart-Hipstern in Berlin-Mitte noch nicht mal der Flaum wuchs, kann er selbst leichte Kost à la „Sag die Wahrheit“ verabreichen.

Das sei „eine Mischform aus Empathie und Investigation“, sagt er fröhlich, „am Ende aber ist es ein Unterhaltungsformat“ – und als solches nicht wert, am Maßstab der Hochkulturkritik gemessen zu werden. Außerdem entsteht es in Baden-Baden, vor der Haustür seiner Heimatstadt Karlsruhe, die er zwar mehrmals verlassen, aber längst wieder bezogen hat. Er führt dafür eher praktische als emotionale Gründe ins Feld. Aber eine „gewisse Verbundenheit zu meinem Wohnort“, Krause lacht, „würde ich nicht bestreiten“. Mal sehen, wie stark sie ist, wenn es für Pierre M. Krause im Fernsehen weiter bergauf geht.