Am Montagmittag begann der achte Pilotenstreik in diesem Jahr. Branchenexperten schätzen die Gesamtkosten für die Lufthansa auf rund 100 Millionen Euro – und die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit droht bereits mit der nächsten Streikrunde.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Stuttgart - Das ist doch sehr ungewöhnlich für Deutschland.“ Takumi Natsume schüttelt den Kopf. Wie viele Lufthansa-Passagiere ist auch der Japaner frühzeitig über den Ausfall seines Fluges informiert worden, statt auf direktem Wege wird er nun über Toronto die Heimreise nach Tokio antreten. Alles ist schon umgebucht, „kein großes Problem“, sagt er. Doch sein Deutschlandbild ist offenkundig ins Wanken geraten. Er würde die Wartezeit bis zum Abflug gern für einen Abstecher in die Frankfurter Innenstadt nutzen, ist aber verunsichert: „Kann ich da überhaupt mit der Bahn hin – die streiken doch auch?“ Die Auskunft, dass Piloten und Lokführer sich mit den Arbeitsniederlegungen abwechseln, beruhigt den Geschäftsmann ein wenig.

 

Was dem einen befremdlich erscheint, weckt in anderen Heimatgefühle: „Ich fühle mich schon fast wie zu Hause“, sagt der Franzose Enoal Le Roch über die Streiks. „Zurzeit ist es hier fast schlimmer.“ Insgesamt 1500 Flüge hat die Lufthansa wegen des 35-stündigen Ausstands ihrer Piloten streichen müssen, und ein Ende des seit Monaten andauernden Arbeitskampfes ist noch immer nicht in Sicht. Denn die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit droht bereits mit der nächsten Streikrunde: „Wenn die Lufthansa keine Einigungsbereitschaft signalisiert, schließen wir weitere Streiks nicht aus – weder für diese noch für nächste Woche“, sagt der Cockpit-Vorstand Markus Wahl. Auf vergleichbare Aussagen der Lokführergewerkschaft GDL angesprochen, betont Wahl allerdings, beide Gewerkschaften seien sich ihrer „gemeinsamen Verantwortung für das Verkehrssystem bewusst“. Bisher sei es gelungen, Streiks zur gleichen Zeit zu vermeiden, „und das wird hoffentlich weiter so laufen“.

Schaden in dreistelliger Millionenhöhe

Der am Montagmittag begonnene Pilotenstreik ist bereits der achte in diesem Jahr, Branchenexperten schätzen die Gesamtkosten für die Lufthansa auf rund 100 Millionen Euro. Der Konzern selbst hat bisher nur die Folgen des dreitägigen Ausstands im April beziffert, allein dadurch sei ein finanzieller Schaden von 60 Millionen Euro entstanden. Von der Androhung weiterer Streiks will sich das Unternehmen dennoch nicht beeindrucken lassen. Ein Konzernsprecher verweist darauf, dass die Lufthansa ihre Verhandlungsposition im Streit über die Frühverrentungsregelung für die Flugkapitäne erst vor wenigen Wochen „konkretisiert“ habe. „Wir sind bereits auf Cockpit zugegangen.“

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die sogenannte Übergangsversorgung der 5400 Lufthansa-Piloten. Diese dürfen bislang mit 55 Jahren in den Ruhestand gehen und erhalten bis zum offiziellen Renteneintritt 60 Prozent ihrer Bezüge. Kalkuliert wurde diese rund 50 Jahre alte Regelung auf der Basis, dass Lufthansa-Piloten mit 60 Jahren in Rente gehen. Diese Altersgrenze wurde nach Klagen einzelner Flugkapitäne aber vom Europäischen Gerichtshof gekippt. Wer will, darf seither bis zu seinem 65. Geburtstag fliegen. Die Lufthansa will deshalb das durchschnittliche Ruhestandsalter der Piloten bis 2021 von 58 auf 61 Jahre anheben.

Kaum Verständnis für den Arbeitskampf

Die Vereinigung Cockpit lehnt dies entschieden ab. „Ein Pilot, der mit 55 Jahren aufhören will, sollte das ohne Abschläge tun können“, sagt der Gewerkschaftler Wahl. „Der Job ist belastend und mit großer Verantwortung verbunden – schließlich hängen Menschenleben davon ab.“ Die Lufthansa weist indes darauf hin, dass die Piloten etwa der Konzerntochter Germanwings heute schon mit 60 statt mit 55 Jahren in den Ruhestand gehen. Da auch diese Flugkapitäne von Cockpit vertreten werden, habe die Gewerkschaft offenbar „grundsätzlich kein Problem damit“, stichelt ein Unternehmenssprecher. In der Gesamtbelegschaft hält sich die Sympathie für den Arbeitskampf der Lufthansa-Piloten in engen Grenzen, im September demonstrierten vor der Konzernzentrale sogar 200 Mitarbeiter gegen die Flugkapitäne.

Die vom Streik betroffenen Passagieren zeigen erst recht kein Verständnis. „Meiner Meinung nach kriegen die schon genug Kohle“, sagt der Fluggast Le Roch aus dem streikerprobten Frankreich.