Wer den Fahrdienst für Behinderte für Freizeittermine nutzt, braucht meist viel Geduld. Das Pilotprojekt „Move – Mobilität verbindet“ schult Behinderte im Kreis Tübingen, damit sie selbstständig Bus und Bahn nutzen können.

Tübingen - Viele Behinderte stehen vor einer hohen Hürde, wenn sie ohne Begleitung die Schule erreichen wollen, den Arbeitsplatz, den Supermarkt, den Arzt oder auch Freizeitziele. Tübingens Landrat Joachim Walter berichtet von einem Schlüsselerlebnis. „Mir hat eine junge Frau im Rollstuhl gesagt, dass sie den Fahrdienst für eine Fahrt ins Kino zwei Wochen im Voraus bestellen muss“, sagt er. Wer wisse schon so früh, ob man Lust auf einen Kinobesuch habe oder welcher Film überhaupt laufe. Das Projekt „Move“ – die Abkürzung steht für „Mobilität verbindet“ – schafft Abhilfe. Behinderte üben gemeinsam mit einem Begleitpaten, wie der öffentliche Nahverkehr auch von ihnen genutzt werden kann. Aber auch der ÖPNV selbst soll sich auf diese Fahrgäste besser vorbereiten, etwa durch Schulungen der Busfahrer oder eine optimierte technische Ausstattung der Fahrzeuge.

 

Schließlich soll die Bevölkerung für ihre Mitbürger im Rollstuhl sensibilisiert werden. Wer um die Probleme der Mobilität Behinderter weiß, grämt sich nicht, wenn der Halt an einer Bushaltestelle einige Minuten länger dauert als gewohnt. „Persönliche Gespräche bringen uns weiter“, sagt der Tübinger Kreis-Behindertenbeauftragte Willi Rudolf, „sonst heißt es schnell, Menschen mit Behinderungen kosten nur Zeit.“

50 Menschen werden Dank „Move“ mobil

„Move“ ist ein Pilotprojekt, für das es laut den Initiatoren deutschlandweit kein Vorbild gibt. Vorgestellt wurde „Move“ vor gut zwei Jahren von dem im Kreis Tübingen in der Behindertenarbeit engagierten Freundeskreis Mensch. Als Ziel wurde formuliert, dass einer großen Anzahl von Menschen mit Behinderungen ermöglicht werden soll, selbstständig den Bus zu nutzen. Rund 50 Menschen haben das mittlerweile geschafft, sagt Torsten Hau, Vorstandsmitglied des Freundeskreises Mensch. Dabei sei der Aufwand sehr unterschiedlich. Bei manchen genügten einige Fahrten in Begleitung der Paten, um die Abläufe einer Busfahrt kennenzulernen, „bei anderen kann das Üben schon dauern, bis es einer alleine hinbekommt“. Die Träger und Einrichtungen, der Landkreis und auch Busunternehmen wie der Stadtverkehr Tübingen sind an dem Projekt beteiligt. Die Finanzierung bis 2017 ist durch die Förderorganisation „Aktion Mensch“ und die Paul-Lechler-Stiftung gesichert. „Wir müssen dafür sorgen, dass Move auch danach weiterläuft“, betont Landrat Walter.