Viele Jugendliche im Landkreis sind nicht ausreichend geimpft und wissen kaum etwas über das Impfen, hat ein Projekt des Gesundheitsdezernats gezeigt. Auch beim zweiten Anlauf, diesmal am Beruflichen Schulzentrum in Bietigheim-Bissingen, offenbaren sich Lücken.

Bietigheim-Bissingen - Die Zahlen klingen alarmierend: Bis zur 13. Kalenderwoche dieses Jahres wurden laut Gesundheitsdezernat des Landkreises 410 Fälle von Masern bekannt. „Das sind mehr, als es im vergangenen Jahr insgesamt waren, nämlich 325“, sagt Uschi Traub, die Leiterin des Bereichs Gesundheitsförderung und Prävention beim Gesundheitsdezernat. Häufig sei dies darauf zurückzuführen, dass bei Jugendlichen das Wissen um die Wirkung von Impfungen zu gering sei, außerdem reiche im Jugendalter der Impfschutz aus der Kindheit ohne eine Auffrischung nicht mehr aus. Doch Zahlen dazu, wie es mit der Impfbereitschaft der Jugendlichen aussieht, gibt es nur wenige (siehe Infobox). Studien aus Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen zeigten laut Traub jedoch, dass es größere Defizite beim Impfstatus von Berufsschülern gibt.

 

Aus diesem Grund hat der Landkreis bereits im vergangenen Jahr ein Pilotprojekt auf die Beine gestellt, das an den drei Schulen des Römerhügels in Ludwigsburg – Robert-Franck-Schule, Mathilde-Planck-Schule und Oscar-Walcker-Schule – durchgeführt wurde. Der Titel wirkt etwas bemüht jugendlich: „#Kleiner Pix, mega Schutz ;)“ – dennoch hat es bei der Nationalen Impfkonferenz für einen Förderpreis gereicht.

Nur acht Prozent der Gymnasiasten gegen Windpocken geimpft Was wurde gemacht? Schüler erstellten Plakate rund ums Thema Impfen, Mitarbeiter des Gesundheitsdezernats überprüften die Impfpässe und es gab zwei per Fragebogen durchgeführte Befragungen unter den Berufsschülern und Gymnasiasten. Diese ergaben, dass beispielsweise nur acht Prozent der teilnehmenden Gymnasiasten gegen Windpocken geimpft waren und 66 Prozent der Berufsschüler gegen Keuchhusten – zu wenig für einen flächendeckenden Schutz vor diesen Krankheiten.

In diesem Jahr geht das Pilotprojekt in die zweite Runde, dieses Mal am Beruflichen Schulzentrum in Bietigheim-Bissingen. Zum Auftakt am Mittwoch gab es Kurzvorträge zu verschiedenen Themen rund ums Impfen: als Reisevorbereitung, als Krebsprävention, zu den Kinderkrankheiten Mumps, Masern, Röteln und über Zecken. In der Woche zuvor hatten 400 Schüler einen Fragebogen rund ums Thema Impfen ausgefüllt. „Ums Impfen gibt es viele Mythen, beispielsweise, dass es Krebs auslöst“, sagt der dortige Biologielehrer Kai Jung. Hinzu komme, dass die Themen Immunsystem und Impfen in den Lehrplänen kaum eine Rolle spielten. Die Fragen der rund 200 anwesenden Schüler zeigten, dass hier durchaus noch Defizite bestehen.

Ob eine Masernimpfung Autismus auslöse, wollte ein Schüler wissen – ein unter Impfgegnern häufig geäußerter Vorwurf, der jedoch jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre, wie Christiane Müller, Kinder- und Jugendärztin am Landratsamt Ludwigsburg klarstellte. Auch die Darstellung von Impfschäden, ein weiterer häufig nachgefragter Komplex, sei „überpropagiert“, sagte Oliver Harney, niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Bietigheim-Bissingen.

Gekicher über Begriffe wie „Peniskarzinom“ Besonders wenig Wissen dürften die Schüler über die HPV-Impfung gehabt haben. Die sexuell übertragbaren Humanen Papillomviren sind maßgeblich an der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs beteiligt. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine vorbeugende Impfung für Mädchen zwischen neun und 14 Jahren. Eine HPV-Impfung sei also gleichzeitig auch eine Krebsprävention, sagte Birgit Wohland-Braun vom Krebsverband Baden-Württemberg. Dieser Hinweis könnte allerdings untergegangen sein, viele Schüler tuschelten belustigt über Begriffe wie „Peniskarzinom“ und „Genitalwarzen“.

Impfquoten in Stadt und Land

Baden-Württemberg
Die Daten zu den Impfquoten stammen aus den Schuleingangsuntersuchungen. Je nach Krankheit liegt die Quote hier zwischen 77,5 Prozent (Windpocken) und 95,8 Prozent (Polio).

Ludwigsburg
Im Kreis liegen die Quoten leicht darüber. Allerdings variiert die Quote bei den Kommunen: Von den 39 Kommunen haben elf das Ziel von einer Masern-Impfquote von 95 Prozent oder höher geschafft. Am schlechtesten schnitten Vaihingen/Enz (69,2 Prozent) und Freudental (75 Prozent) ab.