Nur über das Ziel, den öffentlichen Nahverkehr in Stuttgart auszubauen, herrscht im Gemeinderat weitgehend Einigkeit. Viele Details und die grundsätzlichen Herangehensweisen an das Thema sind strittig. Daher hält OB Fritz Kuhn (Grüne) eine Sondersitzung mit gründlicher Debatte für richtig.

Stuttgart - Wohin soll der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Stuttgart gesteuert werden? Die Vorstellungen und die Wünsche für neue Ticketarten, Taktzeiten, die Finanzierung und konkrete Bauprojekte gehen im Stuttgarter Rathaus weit auseinander. Daher schlug OB Fritz Kuhn (Grüne) am Dienstag eine Sondersitzung vor, in der man alles einmal gründlich diskutieren soll. Er möchte erreichen, dass die Stadträte den Menschen keine Billigtarife versprechen.

 

Die Debatte ist schon am Dienstag im Technikausschuss entbrannt. Da legte der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) den überarbeiteten Entwurf des neuen Nahverkehrsplans Stuttgart vor. Zudem erstattete er einen „Werkstattbericht“ über die Aufstellung des Nahverkehrsentwicklungsplanes, der im März 2017 spruchreif sein soll. Dabei geht es um das langfristige Wunschprogramm, während der Nahverkehrsplan konkrete Vorhaben in den nächsten fünf Jahren enthalten soll.

Neuer Entwurf des Nahverkehrplanes gilt als besser

Der neue Kurzzeitplan sei deutlich besser als der vielkritisierte Vorgänger-Entwurfvom September 2015, erklärten die Fraktionen. Jetzt sind Kapazitätssteigerungen in Hauptverkehrszeiten wie bei der Stadtbahnlinie U 13 aufgenommen, eine neue U 19 zwischen Neugereut und Neckarpark (zunächst probeweise bis April 2017) und eine U 16 zwischen Fellbach und Giebel ab 2019. Die Verlängerung der U 5 in Leinfelden-Echterdingen, der U 6 bis zum Flughafen und der U 12 im Neckartal waren schon drin.

Möglichst schnell, meinte Martin Körner (SPD), müsse die U 19 aber bis zum Daimlerwerk Untertürkheim fortgeführt werden. Schlecht sei auch, dass nach wie vor der abendliche 15-Minuten-Takt der Innenstadtbusse fehle. Christoph Ozasek (Linke) kritisierte, die Projekte U 16 und 19 würden nicht reichen, um schnell Pendler zu bedienen, die wegen Feinstaubalarms ihre Autos stehen lassen müssten. Einen Taktverkehr der Nachtbusse und mehr ÖPNV in Außenbezirken möchte er auch schon früher haben.

Kämmerer weist Zusatzwünsche zurück

Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) blockte entschieden ab. Er befürchtet ein Chaos im ÖPNV und bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), wenn der Nahverkehrsplan durch nicht sicher umsetzbare und finanzierbare Vorhaben aufgebläht würde. Grund: Ende 2018 will die Stadt den Auftrag an die SSB für Verkehrsleistungen erneuern. Doch für diese Direktvergabe verlangt die EU ein präzises Programms. Da dürfe nur drin sein, was realisierbar sei, so Föll. Die Vergabe dürfe nicht schiefgehen durch Anfechtungen von SSB-Konkurrenten. Auch Kuhns Marschrichtung lautet: im Nahverkehrsplan erst mal den hohen Stand beim ÖPNV absichern, auf vorhandenen Linien Kapazitäten erweitern und Neuerungen anpeilen, die wirklich finanzierbar seien. Im Entwicklungsplan kämen weitere Überlegungen für mehr Infrastruktur hinzu.

Die Fraktionen gehen an die Problematik sehr unterschiedlich heran. Alle Spielarten der Mobilität und der Fahrzeuge müssten gleichberechtigt sein, so Alexander Kotz (CDU). Demgegenüber forderte Ozasek „Vorrang für den ÖPNV“. Er und Körner verlangten auch günstigere Tickets und mehr Anstrengungen, damit der Anteil des ÖPNV an allen Fahrten in Richtung 50 Prozent erhöht wird. Während ihre beiden Fraktionen zur Entlastung der Fahrgäste mehr städtisches Geld in den ÖPNV pumpen wollen, will Föll den Aufwand begrenzen. Er und Kuhn halten eine Senkung der Fahrpreise für unrealistisch. „Unsere Schnittmenge ist, dass der ÖPNV-Ausbau gewünscht wird“, so der OB. Björn Peterhoff (Grüne) rät etwa zu Stadtbahngleisen in Richtung Esslingen. In den nächsten Monaten wird noch viel diskutiert werden. Über den Nahverkehrsplan wird im Oktober entschieden.