Macht Schwarz-Rot ernst, bricht für die Hälfte der geplanten Windräder im Land die Förderung weg. Ministerpräsident Winfried Kretschmann ärgert sich über die Energiepläne aus Berlin.

Berlin - Wie es in den nächsten vier Jahren mit der Energiewende genau weitergeht, ist dem Koalitionsvertrag nicht zu entnehmen. Denn an vielen Stellen bleiben die Formulierungen vage. Ausgerechnet eine Präzisierung, die in der letzten Nachtsitzung in den Text hineinverhandelt wurde, hat aber für Baden-Württemberg gravierende Auswirkungen. Bei der Förderung der Windenergie an Land wurde ein Referenzmodell aufgenommen, das die Fördermöglichkeiten im Südwesten beschneidet. Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärte, dass damit die Hälfte der potenziellen Standorte für Windanlagen im Land wegfallen würde. Damit werde das Ziel der grün-roten Landesregierung gefährdet, bis zum Jahr 2020 etwa zehn Prozent des Strombedarfs mit Windenergie zu decken. Kretschmanns Fazit ist harsch: „Die große Koalition wirft uns dicke Knüppel zwischen die Beine.“

 

Laut Koalitionsvertrag sollen Windräder an Land gefördert werden, wenn sie Windstromerträge von „75 bis 80 Prozent“ aufweisen. In sämtlichen Vorversionen des Textes wurden gar keine Ertragszahlen genannt; bei den Gesprächen seit ein Referenzwert von 70 bis 80 Prozent niemals in Frage gestellt worden, klagte der baden-württembergische Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD), der das Energiekapitel im Koalitionsvertrag mit ausgehandelt hat. In seinen Augen kann Baden-Württemberg mit der Änderung zwar leben. Er hat aber „Bauchschmerzen“ wegen der Intervention aus dem Kanzleramt in letzter Minute. Sie erinnert ihn an die Zeiten der früheren großen Koalition und weckt seinen Kampfgeist: „Ich bin sicher, dass wir über den Bundesrat den Referenzwert von 70 Prozent wieder in den Text hineinbekommen“, betont Friedrich.

Koalitionsvertrag lässt Details der Energiepolitik offen

Die Erwartungen von Unternehmen und Investoren, die vom Koalitionsvertrag klare Aussagen über die Strompreisentwicklung und die Rahmenbedingungen auf dem Energiesektor erhofft hatten, dürfte der Vertragstext eher enttäuschen. Zwar bekennt sich die künftige Koalition zur Gleichwertigkeit der drei Ziele Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Klimaschutz. Aber die Wege dahin bleiben ziemlich im Dunkeln. So wird sich zum Beispiel erst während der Arbeit an der Reform der Ökostromförderung entscheiden, wie die Stellschrauben genau justiert werden. Dieses Projekt will die große Koalition bis Ostern 2014 realisieren. Bei der Windkraft auf See sind die Ausbauziele nach unten korrigiert worden. Bis 2020 sollen nun nur noch Anlagen mit einer Leistung von 6,5 Gigawatt installiert werden. Die Förderregeln sollen aber bis 2019 weiterlaufen – zwischenzeitlich war ein Ende 2017 angedacht worden. Bis 2030 sollen im Schnitt jährlich zwei Windparks ans Netz gehen, so dass Windräder auf See 2030 insgesamt eine Kapazität von 15 Gigawatt erreichen würden.

Unklar bleibt bis auf weiteres, wie es mit den Ausnahmeregelungen für die Industrie weiter gehen soll. Die Koalition stellt in Aussicht, „die Privilegierungen in den einzelnen Branchen vorrangig anhand objektiver, europarechtskonformer Kriterien“ zu überprüfen. Dabei wird die künftige Bundesregierung sich mit der EU-Kommission eng abstimmen müssen, um ein Beihilfeverfahren zu vermeiden. Welche Unternehmen weiter von der EEG-Umlage befreit bleiben und welche Firmen künftig bezahlen müssen, wird sich erst später zeigen.

Mit Zusatzbelastungen müssen auch Betriebe rechnen, die bisher vom sogenannten Eigenstromprivileg profitierten. Dazu steht der sibyllinische Satz im Koalitionsvertrag, dass CDU/CSU und SPD sich dafür einsetzen, „dass im Grundsatz die gesamte Eigenstromerzeugung an der EEG-Umlage beteiligt wird.“ Wie der Auslegungsspielraum genutzt wird, ist offen. Darüber hinaus bekennen sich die Bündnispartner dazu, einen Kapazitätsmechanismus zu entwickeln, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt. Wie der aussehen soll, muss die Zeit zeigen.