Die Erörterungsverhandlung über den Filderabschnitt wird wohl die letzte große planungsrechtliche Auseinandersetzung um das Gesamtprojekt Stuttgart 21 werden. In der Erörterung kommt das Projekt nochmals auf den Prüfstand – und damit auch der Zeitplan.

Stuttgart - Die am Montag nächster Woche beginnende Erörterungsverhandlung über den Filderabschnitt wird wohl die letzte große planungsrechtliche Auseinandersetzung um das Gesamtprojekt Stuttgart 21 werden. Laut der Tagesordnung stehen nämlich nicht nur die direkten Auswirkungen der Trassen auf den Fildern auf dem Programm – also etwa Lärm, Landschaftsverbrauch und Brandschutz in dem am Flughafen in 27 Metern Tiefe geplanten Bahnhof. Behandelt werden auch die großräumigen Trassenvarianten, die Leistungsfähigkeit und die Planrechtfertigung. Damit kommt erneut auf den Prüfstand, ob das mindestens 6,5 Milliarden Euro teure Vorhaben die von der Bahn versprochenen und von den Kritikern bestrittenen verkehrlichen Verbesserungen bringen wird.

 

Allerdings hat der Abschnitt auf den Fildern auch in anderer Hinsicht vermutlich eine entscheidende Bedeutung. Zwar sind andere Bereiche – etwa im Albvorland und im Bahnhof Untertürkheim – ebenfalls noch nicht genehmigt, doch das ist aus Sicht der Bahn weit weniger zeitkritisch als das Verfahren für den Filderabschnitt. Sollte die Genehmigung des Eisenbahn-Bundesamts im Sommer 2015 nicht vorliegen, dann wäre der bisher von der Bahn trotz aller bereits eingetretenen Verzögerungen an anderen Stellen immer wieder bestätigte Fertigstellungstermin des Gesamtprojekts im Dezember 2021 ernsthaft in Gefahr. „Der Zeitplan für die Flughafenanbindung ist weiter ambitioniert“, erklärte das S-21-Kommunikationsbüro Anfang Juli im besten Projektmanagerdeutsch.

Doch wie klein das Zeitfenster für die Bahn mittlerweile geworden ist, macht zweierlei deutlich. Im Frühjahr diesen Jahres war vom Kommunikationsbüro noch schriftlich erklärt worden, dass man sich selbst bei einer Genehmigung Anfang 2015 schon auf einem „kritischen Pfad“ befinde. Anfang 2015 ist jetzt also schon in den Sommer verlegt. Und beim aktuell laufenden Genehmigungsverfahren um die erhöhte Grundwasserentnahme, dessen (im Dezember um einen Tag verlängerte) Erörterung im September vergangenen Jahres stattfand, liegt der Planfeststellungsbeschluss aus dem Eisenbahn-Bundesamt noch immer nicht vor. Dabei ist dieses Verfahren weit weniger aufwendig, als die Prüfung, die sich mit dem gesamten Filderbereich beschäftigt.

Wie groß der Aufwand dafür ist, belegt schon ein Blick auf die komplizierte Vorgeschichte des Vorhabens, dessen vordringlichstes Ziel es ist, die Züge, die aus dem Fildertunnel vom Stuttgarter Tiefbahnhof kommen und auf der Neubaustrecke neben der Autobahn in Richtung Ulm weiterfahren, auch am Flughafen und der Messe halten zu lassen. Zum Planungssektor 1.3 gehört also nicht nur ein 5,3 Kilometer langer Abschnitt der Neubaustrecke entlang der Autobahn, sondern auch in Tunnel verlaufende Abzweige zu einem neuen Bahnhof am Flughafen und die Rohrer Kurve zum Anschluss der Gäu- und der S-Bahn.


Die Planungsgeschichte, die bis Anfang der 1990er Jahre zurückreicht, ist denn auch so unübersichtlich wie das Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs. So musste die Bahn immer wieder Unterlagen nachreichen. Und damit Fern- und Regionalzüge die bisher nur von der S-Bahn genutzten Gleise von Rohr bis zum Flughafen mitnutzen dürfen, bedurfte es einer Ausnahmegenehmigung des Bundesverkehrsministeriums. Schließlich wurde im Filderdialog im Sommer 2012 von den Teilnehmern die Trasse der Bahn abgelehnt und stattdessen auf einen Ausbau der bestehenden Gäubahn bis zum Hauptbahnhof gesetzt, was Bahn und Politik daraufhin flugs ablehnten.

Danach platzte auch die auf dem zweiten Platz gelandete Variante mit einem Bahnhof unter der Flughafenstraße, der dem Regionalverkehr mehr Optionen eröffnet und den Mischbetrieb zwischen S-Bahn- und Zugverkehr verhindert hätte, am Streit darüber, wer die Mehrkosten zu tragen hätte. Die Bahn nannte 224 Millionen Euro, andere gingen von einer geringeren, aber dennoch dreistelligen Millionensumme aus. Das Land lehnte eine Mitfinanzierung ab, sodass die Bahn mit der sogenannten Antragstrasse in das Genehmigungsverfahren ging, für deren Realisierung bisher Kosten von 536 Millionen Euro genannt werden.

Viele Streitpunkte

Während der Erörterung werden nicht nur diese Varianten erneut eine Rolle spielen. Kontroversen werden auch darüber erwartet, ob sich der geplante Mischverkehr auf die Zuverlässigkeit der S-Bahn negativ auswirken könnte – zumal wenn sie bis Neuhausen auf den Fildern verlängert werden sollte. Die Städte auf den Fildern, aber auch die Region Stuttgart pochen auf eine Pünktlichkeitsgarantie der Bahn, die sogar in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen werden müsse. Und dass die Gäubahntrasse über Vaihingen nur noch für die S-Bahn taugt, im Notfall nach dem Konzept der Bahn aber auch Fernzüge aufnehmen soll, stößt regionalen Verkehrsplanern sauer auf, die auf einen höheren Ausbaustandard drängen.

Die vielen Streitpunkte versprechen nicht nur heftige Debatten auf der Erörterung, sondern sie erfordern auch eine genaue Abwägung durch das Regierungspräsidium und die eigentliche Genehmigungsbehörde, das Eisenbahn-Bundesamt. Das wird wohl Zeit in Anspruch nehmen, sodass wohl eines heute schon sicher ist: Vor 2016 wird die Bahn kaum mit den Arbeiten im Filderabschnitt beginnen können.