SPD-Chef Martin Schulz gerät von allen Seiten unter Druck, seine Festlegung auf Neuwahlen zu überdenken. Auch Frankreichs Präsident Macron schaltet sich ein.

Berlin - In der SPD geraten die Dinge nach dem Scheitern der Jamaikasondierungen in Bewegung – Richtung große Koalition. In der Partei mehren sich Stimmen, die fordern, ein Bündnis mit der Union nicht auszuschließen – dazu gehört auch die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Nach Informationen dieser Zeitung erhöhen im Hintergrund auch Außenminister Sigmar Gabriel und dessen ehemaliger Wirtschaftstaatssekretär Matthias Machnig den Druck auf Parteichef Martin Schulz, seine Haltung zu revidieren.

 

Auch im Südwesten deutet sich ein Umschwung an: Die Göppinger Bundestagsabgeordnete Heike Baehrens sagte, sie sei „auf jeden Fall“ der Meinung, dass man mit der Union reden müsse. Entsprechende Botschaften von der Basis erhalten demzufolge alle SPD-Parlamentarier.

Vorstandsbeschluss wird als Fehler angesehen

Der einstimmige Beschluss des Parteivorstands am Montag, Neuwahlen anzustreben und eine große Koalition kategorisch auszuschließen, wird offenbar auch in Teilen der Parteiführung als Fehler angesehen. Um von der Festlegung auf Neuwahlen wegzukommen, wurde die Möglichkeit einer Minderheitsregierung ins Spiel gebracht. So hält der Emmendinger Abgeordnete Johannes Fechner eine Tolerierung für eine realistische Lösung, wie er dieser Zeitung sagte. Erneut könnten Bundestagswahlen dann zusammen mit Europawahlen im Jahr 2019 stattfinden.

Parteiintern gilt dieser Vorstoß aber auch als Versuch, Zeit für Gespräche zu gewinnen, an deren Ende wieder eine große Koalition stehen könnte – für die Bundeskanzlerin Angela Merkel wohl einen extrem hohen politischen Preis zu zahlen hätte. Der Weg dorthin sei völlig offen, heißt es. Fest stehe aber, dass bis zum SPD-Parteitag, der am 7. Dezember beginnt, eine klare Haltung zu möglichen Sondierungsgesprächen gefunden werden müsse.

Macron fordert Stabilität in Deutschland

Parteichef Martin Schulz hatte sich mit seiner schroffen Festlegung Fesseln angelegt. Ein Ausweg, so ist in der SPD zu hören, könnte ein Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bieten. In dem Gespräch am Mittwoch bat Macron dem Vernehmen nach Schulz, Stabilität in Deutschland zu gewährleisten. Dies habe auch als Aufforderung verstanden werden müssen, sich einer großen Koalition nicht zu verweigern und so eine monatelange Hängepartie in Europa zu vermeiden. Schulz habe Macron seine Unterstützung zugesichert. Die Verantwortung für Europa könnte nun dem ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Schulz als Argument dienen, sich konstruktiven Gesprächen mit Merkel nicht zu verschließen.

An diesem Donnerstag spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Schulz. Danach werde die Parteispitze die Lage neu beraten, heißt es. Schulz selber sagt mittlerweile: „Die SPD ist sich vollständig ihrer Verantwortung in der momentan schwierigen Lage bewusst.“