Die Konjunktur brummt - die Auftragsbücher sind voll. Manch einem Industrie- und Logistikunternehmen in Stuttgart geht langsam der Platz aus.

Markus Knab, verantwortlich für das Geschäftsfeld Industrie- und Logistikimmobilien beim Bankhaus Ellwanger & Geiger in Stuttgart, ist eigentlich ein Optimist. Wenn der Immobilienexperte allerdings auf die Flächensituation für Industrie- und Logistikunternehmen zu sprechen kommt, zeigt sein Gesicht von Jahr zu Jahr eine ernstere Miene. 'Wir sind mittlerweile bei der Flächenentwicklung an einem Punkt angekommen, der sich für die Region immer mehr zu einem ernsthaften Problem für die Wettbewerbsfähigkeit entwickelt', sagt er. Seit Jahren schiebt die Region Stuttgart einen Flächenbedarf für Industrie- und Logistikansiedlungen vor sich her, der mittlerweile auf rund 150 000 Quadratmeter angestiegen ist, Tendenz steigend.

 

Denn der erfasste Flächenbedarf bezieht sich nur auf Anfragen von Unternehmen aus der Region, die Erweiterungsbedarf angemeldet haben. Der tatsächliche Bedarf dürfte um ein Vielfaches höher liegen, vermuten Experten seit Jahren. Ein Großteil dieser begehrten Gewerbeflächen in der Region wird zunehmend von sogenannten Kontraktlogistikern nachgefragt. Das sind Unternehmen, die zum Beispiel im Auftrag eines Automobilherstellers zusätzlich zur Lagerung/Kommissionierung Aufgaben in der Fertigung übernehmen und in der Regel in der Nähe des Werkes ihren Sitz haben.

Immer kürzere Lieferzeiten der Online-Händler

Zunehmend konkurrieren auch Verteillogistiker um die begehrten Flächen, um einen sogenannten Hub - einen Logistik-Knotenpunkt - einzurichten. Darunter versteht man meist große Hallen, wo Waren angeliefert, neu konfektioniert und wieder abtransportiert werden. Diese Unternehmen sind sehr verkehrsintensiv und meistens an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr frequentiert. Ein Grund: die immer kürzeren Lieferzeiten der Online-Händler. Derzeit wird bereits eine Lieferzeit nach Bestelleingang von vier Stunden von einigen Kurierdienstleistern angeboten. Damit die immer kürzeren Lieferzeiten auch eingehalten werden können, brauchen diese Express- und Kurierdienstleister aber nicht nur ein besonders engmaschiges Verteilernetz, sondern müssen sich auch immer weiter auf die Ballungszentren mit ihren Hubs zubewegen, sagt Knab. Diese suchen vor allem Hallenflächen von 5000 bis 7000 Quadratmetern für sogenannte Kleinlogistikzentren am Stadtrand.

'Die Vorbehalte gegen diese Unternehmen sind aber nach wie vor sehr hoch', ist die Erfahrung des Immobilienexperten. Deshalb glaubt er nicht, dass deren Expansionswünsche mittelfristig in der Region auf fruchtbaren Boden fallen werden. 'Das scheitert schon an den Quadratmeterpreisen', so der Immobilienexperte. Er will nicht ausschließen, dass es mittelfristig auch in diesem - eigentlich sehr stabilen Preisgefüge - zu der einen oder anderen Erhöhung kommen wird. Das engt den Spielraum für das produzierende Gewerbe weiter ein. Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart warnt seit Jahren vor den Folgen der Flächenknappheit, vor allem für den Bereich der Kontraktlogistik.

Da immer mehr Industrieunternehmen Teile ihrer Produktion ausgliedern, habe sich die Kontraktlogistik zu einem wichtigen Industriezweig in der Region entwickelt, erklärt Walter Rogg, oberster Wirtschaftsförderer der Region. Zwar spürt die Wirtschaftsförderung mittlerweile deutlich mehr Verständnis bei den Kommunen für die Ansiedlung sogenannter Kontraktlogistiker als noch vor fünf Jahren, trotzdem scheitert das Ansinnen, großflächige Industrie und Logistikunternehmen in der Region anzusiedeln, immer wieder am Veto der Kommunen. Zwei Beispiele: In Kornwestheim liegt seit Jahren ein geplanter Schwerpunkt für Industrie und Logistik auf Eis.

"Wir können schon jetzt kein größeres Grundstück anbieten"

Die Argumente: großer Flächenverbrauch, viel Lärm und Verkehr und zu wenig neue Arbeitsplätze. Da nützen dann auch keine Erläuterungen der Wirtschaftsförderung, dass Kontraktlogistik inzwischen mit einer beträchtlichen Wertschöpfung verbunden sei und oft mehr Arbeitsplätze pro Quadratmeter biete als eine hoch automatisierte Produktion. Auch der Versuch, einen Teil des aktuellen Flächenbedarfs über einen Gewerbeschwerpunkt Pleidelsheim/Murr zu lösen, erwies sich als kommunalpolitisch nicht durchsetzbar. Derzeit hofft die Wirtschaftsförderung auf die Kommunen Großbottwar, Ingersheim, Schwieberdingen, Korntal-Münchingen und Bietigheim-Bissingen, um doch noch zu einer Lösung zu kommen, damit zumindest ein Teil des Flächenbedarfs für Industrie und Logistik bereitgestellt werden kann.

Aber selbst, wenn die angesprochenen Kommunen in den nächsten Wochen zu einem positiven Votum kommen, könnte es noch Jahre dauern, bis Baurecht geschaffen ist und die ersten Hallen gebaut werden können. 'Und was machen wir bis dahin', fragt Markus Knab. 'Wir können schon jetzt kein einziges größeres Grundstück ab 1,5 bis 2 Hektar in der Region anbieten', sagt er. Das knappe Angebot an geeigneten Produktionsflächen in Stuttgart und der Region soll erste Unternehmen bereits dazu zwingen, Aufträge abzulehnen, weil die notwendigen Produktionsstätten nicht zur Verfügung stehen.

Noch gebe es keine Anzeichen für Abwanderungsbewegungen, da viele Unternehmen die Flächenknappheit noch gar nicht realisiert hätten, so Knab. Bei der Wirtschaftsförderung der Region stehen die Warnsignale allerdings längst auf Rot. In den nächsten zwei Jahren stünden einige Unternehmen aus der Region vor der Frage, ob sie sich am bestehenden Standort noch weiterentwickeln können oder ob sie Alternativen suchen müssen. 'Eine Abwanderung dieser Firmen an einen anderen Standort wäre bitter für die Region', so Wirtschaftsförderer Rogg.