Am Dienstag, 14. Juli, wird die Nasa-Raumsonde „New Horizons“ mit 50.000 Stundenkilometern am Pluto vorbeischießen. Es ist der erste Besuch des weit entfernten Zwergplaneten, der noch viele Geheimnisse birgt. Was dürfen die Forscher, was darf die Öffentlichkeit erwarten?

Stuttgart - Er hat sich lange Zeit versteckt. Erst im Februar 1930 wurde der Pluto zum ersten Mal gesichtet. Und dann ist ihm 76 Jahre später der Status eines Planeten wieder aberkannt worden. Der Pluto mag mit einem Durchmesser von etwa 2300 Kilometern kleiner sein als unser Mond, aber in einem ist er ziemlich groß: Der Zwergplanet birgt so viele Geheimnisse, dass Astronomen vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung ihn als einen „weißen Fleck auf der astronomischen Landkarte“ bezeichnen.

 

So ist zwar bekannt, dass Pluto über eine Atmosphäre verfügt, aber nicht, wie sie zusammengesetzt ist. Mit der Sonde New Horizons will die amerikanische Weltraumbehörde Nasa diese Rätsel lösen. Für Überraschung sorgten bereits die ersten Fotos: Sie zeigen zwar nur einen verwaschenen Fleck, aber der ist rostrot wie der Mars. Kommenden Dienstag soll die Sonde nun in einem Abstand von etwa 12 000 Kilometern am Pluto und danach in etwa doppelter Entfernung an seinem Satelliten Charon vorbeifliegen. Anschließend wird sie ihre Reise durch den Kuipergürtel fortsetzen, jenen Ring aus Gestein, der das Sonnensystem dort draußen umgibt.

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Doch auf dieser Reise gibt es viele Herausforderungen zu meistern. Eine der größten ist die Navigation der Sonde über eine Entfernung von 5,9 Milliarden Kilometer hinweg. Wie die Fachzeitschrift „Nature“ berichtet, hat New Horizons deshalb zwei Navigationsteams – eines von der Firma KinetX Aerospace sowie eines vom staatlichen Jet Propulsion Laboratory. Beide haben sich seit Jahren auf robotische Missionen spezialisiert, beide arbeiten unabhängig voneinander. Sollten sich die Ergebnisse unterscheiden, werde die Missionsleitung eins auswählen. „Es ist ein extra Anreiz, die Bleistifte zu spitzen und gut zu rechnen“, sagt Mark Holdridge vom Applied Physics Laboratory an der John-Hopkins-Universität in Laurel, Maryland, das die Sonde konzipiert und gebaut hat und während des Fluges auch betreut.

Eine Panne beim Anflug auf den Zwergplaneten

Anders als bei Orbitern, den in Umlaufbahnen kreisenden Raumfahrzeugen also, habe man bei New Horizons keine Gelegenheit, eine einmal verpasste Chance nachzuholen, erklärt Bobbie Williams vom Navigationsteam der Firma KinetX Aerospace. Es gebe nur einen einzigen Versuch. Gelingen könne der Anflug auf Pluto nur, wenn man einen schmalen Tunnel mit einer Öffnung von etwa 100 auf 150 Kilometer treffe. Die letzte Gelegenheit für Korrekturen am Kurs hatte das Team am vergangenen Samstag.

An diesem Tag löste obendrein ein unerwarteter Zwischenfall Aufregung aus: Der Empfang eines Datenpakets sowie das gleichzeitige Komprimieren von wissenschaftlichen Daten führten zu einer Überlastung des Hauptcomputers. Die Sonde versetzte sich daraufhin in den Sicherheitsmodus und antwortete nicht mehr. Einen Tag später gab das Team jedoch Entwarnung. Man habe das Problem behoben. Es sei weniger als ein Prozent der zu erwartenden Datenmenge verloren gegangen.

Die Sonde hat längst begonnen, bei einer Geschwindigkeit von 50 000 Kilometer pro Stunde die Oberfläche des Zwergplaneten und seines größten Mondes Charon zu fotografieren und zu kartieren. Weil Pluto und Charons Bahnen einer komplizierten Choreografie folgen, drehen sie sich nicht wie die Erde um die eigene Achse – die Sonde wird also nur jeweils eine Hälfte untersuchen können. Eines der Fotos zeigt eine mehrere Tausend Kilometer lange Formation von dunkleren Partien, die den Namen „Der Wal und der Donut“ erhalten hat. Woraus sie bestehen, ist unklar. „Wir befinden uns jetzt in der Mann-auf- dem-Mond-Phase der Erkundung des Pluto“, sagt John Spencer vom Southwest Research Institute. „Es ist leicht zu glauben, man entdecke vertraute Formen in dieser bizarren Ansammlung. Aber es ist zu früh, um wirklich zu wissen, was es ist.“

Einblicke in die Region, aus der die Kometen stammen

Hilfe bei der Erkundung hat das New-Horizons-Team in der vergangenen Woche auch von der fliegenden Sternwarte Sofia erhalten, einem deutsch-amerikanischen Gemeinschaftsprojekt, das von der Uni Stuttgart koordiniert wird. Wissenschaftler hatten an Bord des Flugzeugs in Neuseeland verfolgt, wie der Zwergplanet Pluto vor einem Stern im Sternbild Schütze vorbeizog. Die Sternbedeckung dauerte 90 Sekunden. Dabei zeigte sich die dünne Schicht seiner überwiegend aus Stickstoff bestehenden Atmosphäre. „Es ist eine einzigartige Gelegenheit, Sofias Erkenntnisse mit den Vor-Ort-Untersuchungen von New Horizons zu verbinden, das wird die künftigen Untersuchungen Plutos von der Erde aus entscheidend verbessern“, sagt Pamela Marcum vom Ames Research Center.

Die Beobachtungen an Bord von Sofia sind im New-Horizons-Team auf großes Interesse getroffen. Die Untersuchung der Plutoatmosphäre zählt zu den wichtigsten Zielen der Mission. Man vermutet, dass der Stickstoff aus der Atmosphäre verdampft, wenn sich der Zwergplanet auf seiner 248 Jahre dauernden Umlaufbahn der Sonne nähert, und wieder gefriert, wenn er sich von ihr entfernt. Von den Momentaufnahmen der Sonde erhoffen sich die Wissenschaftler um Alan Stern Rückschlüsse auf diese ungewöhnlichen Jahreszeiten. Ulrich Christensen vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung wiederum sieht New Horizons in Zusammenhang mit der Rosetta-Mission. Während die Europäer gerade einen Kometen erkunden, der zu schmelzen begonnen hat, bringen die Amerikaner mit New Horizons Licht in das Dunkel der Region, aus der die Kometen stammen. Das erhöht die Chance, mehr darüber zu erfahren, wie das Leben entstanden sein könnte.

Den Pluto-Vorbeiflug online verfolgen

Die Raumfahrtagentur Nasa begleitet den Vorbeiflug am Pluto auf allen Kanälen. Zur Raumsonde New Horizons gibt es einen Facebook- und Twitter-Account (mit dem Namen @NASANewHorizons) sowie einen Youtube-Videokanal. Die Nasa bietet auch einen kommentierten Livestream unter www.nasa.gov/ntv.

Die größte Annäherung an den Pluto findet am Dienstag um 13.49 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit statt. New Horizons ist dann 12 500 Kilometer vom Zwergplaneten entfernt und 29 000 Kilometer von dessen Mond Charon. Unter http://eyes.jpl.nasa.gov gibt es eine App, die den Anflug am PC oder Mac simuliert. Ein Funksignal braucht vom Pluto 4,5 Stunden zur Erde. New Horizons wird anschließend 16 Monate benötigen, um alle Daten des Vorbeiflugs zur Erde zu schicken.