Was wollen eigentlich die Clubgänger? Das wollte der Verein Follow The White Rabbit herausfinden. Zu der Diskussion im Keller Klub kamen dann gerade mal 25 Leute. Die hatten aber teilweise kuriose Vorschläge im Gepäck.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Ja ja, der Februarregen! Der Bandcontest im Zollamt! Das Erdmöbel-Konzert im Opernhaus! „Und wir haben die Veranstaltung ja nicht ganz an die große Glocke gehängt“. Sagt Thomas Schwarz, 36, Vorsitzender von Follow The White Rabbit e.V. Die als Verein organisierten Stuttgarter Clubgänger und -lobbyisten haben am Donnerstagabend in den Keller Klub geladen, zur Diskussion über das #Clubsterben. Ja, der Hashtag soll andeuten, dass man auch via Twitter und Facebook mitdiskutieren kann. Beziehungsweise mitdiskutieren hätte können. Hat nämlich kaum jemand gemacht, wie sich in einer Aufzeichnung der Veranstaltung und natürlich in den sozialen Medien selbst nachvollziehen lässt.

 

Es ist immer unfair, über die zu schimpfen, die an so einem Abend nicht gekommen sind. Wer sich aber von so einem Abend beispielsweise erhofft, die „Stimme des Volkes“ zu hören, also all jener, über die beispielsweise Clubbetreiber und Stadtverwaltung immer reden, wenn es um das Nachtleben und die wie auch immer geartete Subkultur in der Stadt geht – der wird bitter enttäuscht. „In Stuttgart interessieren sich also genau 5 Leute für’s #clubsterben #ganzschönbitter“, schreibt Matthias Mettmann von der Bookingagentur Chimperator Live via Instagram. Und da läuft die Veranstaltung offiziell schon seit einer halben Stunde.

Eine weitere halbe Stunde später sind aus den fünf Leuten 25 geworden und die Hasen eröffnen die Diskussion. Es ist kein Podiumsgespräch im klassischen Sinne. Stattdessen wirft der im Hasenkostüm auftretende Moderator Thomas Schwarz Themen und Thesen in den Raum, was die Anwesenden mittels farbiger Karten kommentieren können. Grün heißt Zustimmung, Rot Ablehnung und Orange bedeutet „Wortmeldung – dazu will ich was sagen“. Außer Schwarz befinden sich drei weitere in Hasenkostüme gekleidete Vereinsmitglieder auf der Bühne: auf einem Sofa fläzend, mit Bier und Gin Tonic in der Hand.

Parforceritt durch die aktuellen Themen

Es ist eine gute Form für das Thema #Clubsterben, das – wie in Onlinenetzwerken wie Twitter oder Facebook nachzuvollziehen ist – nicht nur in Stuttgart diskutiert wird. Es geht nicht ums Dozieren, sondern darum, miteinander ins Gespräch zu kommen. Am Donnerstagabend ergeben sich Dialoge insbesondere zwischen Clubbetreibern wie dem Rocker-33-Mitbetreiber und Gastgeber im Keller Klub, Carlos Coelho – und denjenigen, die regelmäßig in solchen Läden zu Gast sind.

Thematisch ergibt das einen Parforceritt durch sämtliche Themen, die im Zusammenhang mit Ausgehkultur und Stadtverwaltung in den vergangenen Jahren aufgerufen worden sind: Brandschutz, Sperrzeiten, Konzessionen, Mietpreise, das Tanzverbot vor Feiertagen, Zwischennutzungen und Zuschüsse für das Kulturprogramm. Zum letzten Punkt erwähnt Moderator Schwarz explizit den Berliner Club Berghain: „Da fragt man sich halt schon: Warum läuft so etwas nicht bei uns?“

Ja, warum eigentlich nicht? Uwe Legleiter, der als Uwe Lexe über seinen Internet-Radiosender HGM elektronische Musik aus Stuttgart in die Welt schickt, hat eine mögliche Antwort: „Wir haben bisher die Kräfte in Stuttgart nicht gebündelt“, sagt er, „mit der Einladung zu dieser Podiumsdiskussion haben wir 20 000 Leute erreicht und zwanzig sind hier.“ Stell dir vor, es ist #Clubsterben – und keinen interessiert’s. Denn auch übers Internet kommen an diesem Abend keine Beiträge zu der Stuttgarter Diskussion.

Nachtbusse sollen Clubs ansteuern

Zumindest werden im zweiten Teil öfter die orangenen Karten in die Luft gestreckt. Die Clubgänger wollen wissen, wie das mit dem von der Stadtverwaltung organisierten Leerstandsmanagement eigentlich läuft (und erfahren, dass Follow The White Rabbit mehr personelle Ressourcen im Rathaus dafür fordern), sie schlagen vor, ehemalige Schlecker-Filialen als Clubs zu nutzen oder wünschen sich „mehr Vielfalt, einfach mal andere Musik und Veranstaltungen, die nicht nur auf junge Menschen zugeschnitten sind“.

Auch ein, zwei neue Vorschläge werden formuliert. Etwa der, dass die VVS-Nachtbusse gezielt Locations wie den Club Zollamt ansteuern sollen, die ja etwas abseits der üblichen Routen liegen. Und Follow The White Rabbit, das ja auch Teil des neu gegründeten Stuttgarter Clubverbands Club Kollektiv ist, wünscht, dass die Stadt sich an Kosten für den Brandschutz in neu zu eröffnenden Clubs beteiligt – sozusagen als Investitionszuschuss.

Und am Ende: Party

Vor allem aber ist der Abend im Keller Klub eine Infoveranstaltung, bei der die Clubbetreiber und die inzwischen auch dem Gemeinderat wohlbekannten Hasen ihr Wissen an die „normalen“ Clubgänger weitergeben. Manchem wird vielleicht erst nach diesem Abend klar, dass die Dinge in Sachen Clubsterben komplizierter liegen als sich einfach nur „einen Karneval der Kulturen, so einen Freak-Out-Day“ zu wünschen, wie das einer der Gäste getan hat.

Bei einer zweiten Podiumsdiskussion im Frühjahr sollen solche und anderen Forderungen in eine Petition münden. Am Ende dieses Donnerstagabends, nach ungefähr einer Stunde Meinungs- und Wissensaustausch, machen die Anwesenden das, was sie am besten können: Party auf tanzbare elektronische Musik.