Die Stadt muss in ihrem Kampf gegen lärmende Pokémon-Jäger andere Verbündete suchen: Kanzleramt und diverse Ministerien haben Bietigheim-Bissingen einen Korb gegeben.

Bietigheim-Bissingen - Es hätte ein Kampf der Giganten werden können: Auf der einen Seite die Krisenkanzlerin Angela Merkel, derzeit zwar stark angeschlagen durch koalitionsinterne Seitenhiebe und sogar angezählt durch die deutsche Presse, aber trotzdem noch die mächtigste Frau der Welt. Auf der anderen Seite Nintendo, ein internationaler Großkonzern mit mehr als vier Milliarden Euro Umsatz, dessen Tochterunternehmen, die Pokémon Company, in diesem Jahr ihren wohl größten Erfolg feiert, indem sie kleine Taschenmonster (Pocket Monster) aus einem längst totgeglaubten Hype wiederbelebt, aufs Smartphone packt und diese fortan von jungen und nicht mehr so jungen Nerds per GPS-Signal suchen und fangen lässt. Die Geschichte klingt bereits jetzt so gaga, dass man aufhören könnte, zu schreiben. Sie hat aber noch gar nicht richtig angefangen.

 

Über den Sommer hinweg hat sich die Stadt Bietigheim-Bissingen zu einer Pokémon-Problemzone entwickelt. Zum Teil mehr als 100 Sammler auf einmal tummelten sich nach Angaben der Stadt tagsüber und auch nachts an der Metteranlage rund um den Japangarten und jagten die Monster. Offensichtlich treibt das Heimweh die Pokémon in die Nähe des Zen-Gartens. Aber das ist reine Spekulation. Insider nennen jedoch einen anderen Grund: Jede Stunde spawnt dort ein Sichlor. Alles klar soweit?

Sichlor kann doch nichts dafür

Jetzt kann Sichlor, diese seltene Superkampfheuschrecke, aber nichts dafür, wenn die Anwohner an der Metteranlage durch den nächtlichen Jagd-Lärm der Pokémon-Fans gestört werden. Und auch nichts dafür, wenn tags darauf die Wiesen rund um den Japangarten mit Unrat zugemüllt ist, was auch beklagt wird.

Die Stadt wandte sich an Nintendo und bat darum, eine Arena am Japangarten, eine Duellierzone für Pokémon, aus dem Spiel zu löschen. Damit hatte zum Beispiel auch schon die Propstei des Kölner Doms Erfolg. Doch Nintendo blieb die Antwort bis heute schuldig. Deswegen fuhr die Stadt schwerere Geschütze auf – Merkel eben. Und dazu noch Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und Thomas de Mazière, beziehungsweise deren Ministerien. Die sollten sich in Tokyo dafür einsetzen, dass der Müll- und Lärmmagnet Pokémon-Arena entfernt wird.

Die Ministerien loben erstmal ihre Projekte

In den Antworten der Ministerien kassierte die Stadt gleich mehrere Körbe: So lobt das Bundeskanzleramt bundeseigene Projekte gegen Spielsucht und verweist weiter an das Wirtschaftsministerium. Das wiederum feiert in seiner Antwort die Computerspiele-Branche als „eine der am stärksten wachsenden und innovativsten Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft“ und kann beim Bietigheimer Problem nicht erkennen, „inwiefern dies als Thema auf Bundesebene aufzugreifen wäre“. Und das Innenministerium findet, dass die Probleme „jedoch eher lokaler Natur“ seien – gibt aber gleich Hilfestellung: Der Betreiber des Spiels ist nämlich nicht Nintendo oder die Pokémon Company, die ist nur der Lizenzgeber. Der Entwickler ist Niantic, eine Firma in San Francisco. Auch diese hat die Stadt mittlerweile angeschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. Außerdem empfiehlt das Innenministerium ein gemeinsames Vorgehen mehrerer Kommunen. Bietigheim hatte in seinem Anschreiben erwähnt, dass viele Bürgermeister ähnliche Probleme in ihren Kommunen sähen, jedoch keine namentlich genannt. Auf Nachfrage heißt es dann, man wisse konkret von keiner anderen Stadt mit ähnlichen Problemen. Dieser Bluff ging also daneben.

Die Arena ist gar nicht das Problem

Nun hat sich uns ein Pokémon-Insider per Mail offenbart und angemerkt, dass Bietigheim auf dem völlig falschen Dampfer ist: Nicht die Arena sei Ursprung der Pokémon-Kultstätte am Japangarten, sondern drei so genannte Poké-Stops an einem Fleck. Das sind Installationen im Spiel, die neue Gegenstände bereithalten und normal umständlich einer nach dem anderen abgelaufen werden müssen. Besonders eifrige Jäger setzen auf diese Stops Module, um mehr Pokémons anzulocken. Und da diese Module reales Geld kosten, werde Niantic wohl kaum seine Einnahmequelle schmälern und diese beliebte Lock-Location löschen. Immer noch alles klar soweit?

Bei der Stadt scheint mittlerweile wohl auch die Erkenntnis der eigenen Machtlosigkeit eingesetzt zu haben. Zumindest setzt man jetzt, wo Merkel abgesagt hat, auf Hilfe von noch weiter oben. Die Stadtsprecherin Anette Hochmuth: „In den kommenden Tagen soll es ja wieder mehr regnen.“