Was in der Bundespolitik üblich ist, bleibt in der Landes- und Kommunalpolitik die Ausnahme: eine aktive Nutzung von Twitter. Nur ein Bruchteil der Politiker nutzt den Kommunikationskanal, wie unsere Aufstellung zeigt. Wir verraten auch, wer der einzige twitternde CDU-Abgeordnete ist.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Twitter ist aktuell das Lieblings-Onlinenetzwerk von Medienleuten, Promis und politisch Interessierten. Und noch von einigen mehr. In der baden-württembergischen Politikszene ist der Dienst aber bisher nur zögerlich angekommen, wie eine Aufstellung der bei Twitter aktiven Kommunal-, Landes- sowie der für die Region Stuttgart tätigen Bundestagsabgeordneten zeigt.

 

Nur jeder dritte Bundestagsabgeordnete aus der Region ist bei Twitter. Noch geringer ist die Aktivität unter den Landtagsabgeordneten: 20 der 138 Abgeordneten haben ein mehr oder weniger regelmäßig genutztes Twitter-Profil; das ist im Schnitt jeder Siebte. Außer Hannes Rockenbauch äußert sich kein einziger Stadtrat auf Twitter, Fritz Kuhn ist hingegen recht aktiv – übrigens auch auf Facebook.

Der einzige twitternde CDU-Abgeordnete

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Politiker in der Stadt, im Land- und im Bundestag den Kanal nicht nutzen. Manch einer konzentriert sich bei seinen Social-Media-Aktivitäten auf Facebook, weil dort in der Summe mehr Bürger zu finden sind. Andere vertrauen auf klassische Kommunikation via Pressemitteilung oder eigener Website. Wieder andere fühlen sich mit dem Einsatz von Social Media einfach nicht wohl und verzichten lieber darauf, als in Fettnäpfchen zu tappen.

Felix Schreiner (Wahlkreis Waldshut) ist der einzige CDU-Landtagsabgeordnete bei Twitter; daneben betreibt noch die Landespartei ein Profil. „Seine Online-Community zu pflegen, ist schon sehr zeitintensiv. Da hat der eine oder andere das Gefühl, dass das nichts bringt“, sagt Schreiner. Das hänge mit der Struktur des Wahlkreises und den Themen zusammen, auf die sich ein Abgeordneter spezialisiert. Schreiners Wahlkreis Waldshut sei stark ländlich geprägt, führt der Abgeordnete an. Will heißen: Social Media sind dort weniger verbreitet als in Städten.

„Dann werden die Smartphones gezückt“

Warum nutzt er dann Twitter? „Weil das vor allem für jüngere Wähler interessant ist“, erzählt Schreiner. Wenn er im Landtag Schülergruppen am Ende eines Besuchs auf sein Twitter-Profil hinweise, „dann werden die Smartphones gezückt“, berichtet der 27 Jahre alte Abgeordnete. Es gehe bei Twitter wie bei anderen Social-Media-Kanälen höchstens mittelbar darum, wiedergewählt zu werden. „Sondern man will etwas vermitteln. Und das geht bei vielen Zielgruppen am besten über solche Kanäle. Um junge Bürger zu erreichen, ist das die Zukunft“, ist Schreiner überzeugt.

Auf Bundesebene ist Twitter zumindest für die Kommunikation mit Journalisten spätestens seit der Episode um Steffen Seibert ein Muss: Damals wies der Regierungssprecher zuerst über Twitter auf eine USA-Reise von Angela Merkel hin.

Anfangs war der Aufschrei unter den beleidigten Hauptstadtjournalisten groß. Heute haben viele Korrespondenten und auch Bundestagsabgeordneten einen Account, darunter sechs aus der Region Stuttgart.

Das Staatsministerium twittert mit

„In der Bundespolitik ist der Druck viel größer, Twitter zu nutzen“, sagt Tilo Berner, „weil das ganz viele Bundestagsabgeordnete tun“. Berner war früher als Pressesprecher bei den Grünen in Baden-Württemberg auch für die Online-Kommunikation zuständig, heute ist er im Staatsministerium in Stuttgart Leiter des nach dem Wahlsieg von Grün-Rot neu geschaffenen Referats Online-Kommunikation. Dreieinhalb Stellen hat die Landesregierung für die Betreuung des Landesportals, der Website des Staatsministeriums sowie der Accounts der Landesregierung beziehungsweise Winfried Kretschmanns bei Facebook, Twitter, Youtube und dem Bildernetzwerk Flickr besetzt. „Wir wollen Politik verständlich kommunizieren“, formuliert Berner die Aufgabe seines Teams. Twitter und Social Media würden „immer mehr in den Lebensalltag der Menschen integriert“, da wolle die Landesregierung nicht hinterherhinken.

Als versteckten Vorwurf an die nicht-twitternden Landespolitiker will Berner das nicht verstanden wissen. „Die Beschränkung auf 140 Zeichen ist eine Herausforderung, auch für uns“, sagt der Referatsleiter. Abgeordneten und Ministern empfiehlt er, Twitter und andere Social-Media-Kanäle nur dann zu nutzen, „wenn sie sich damit wohlfühlen. Wer das nicht tut, der ist nicht authentisch“. Ministerpräsident Winfried Kretschmann etwa lässt seine Facebook-Seite vom Online-Team des Staatsministeriums betreuen. Social Media überlässt der Ministerpräsident den Spezialisten, „und er hätte dafür auch gar keine Zeit“, sagt Tilo Berner.

Was bringt’s? Was kostet’s?

Die Zeit- und Ressourcenfrage stellen sich auch viele Landtagsabgeordnete – und es geht auch darum, welcher Nutzen von einem aktiven Social-Media-Auftritt abfällt.

Twitter kann, wie alle anderen Social-Media-Kanäle, Politiker auch mit bisher nicht erreichbaren Gruppen von Bürgern in Kontakt bringen – nämlich mit all jenen, die weder Wahlkampfveranstaltungen besuchen noch sich bei Wochenmärkten Infozettel in die Hand drücken lassen.

Ein MdL ist nicht Barack Obama

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer etwa findet jeden Tag genügend Zeit, um auf Facebook aktuelle Vorgänge in seiner Stadt aus seiner persönlichen Sicht zu kommentieren. Da ist mancher Schnellschuss dabei – etwa der jüngst veröffentlichte Vorschlag, dass Besucher des inzwischen geschlossenen Fernsehturms vor dem Besuch eine Erklärung unterschreiben sollen, dass sie sämtliche Risiken übernehmen. Dem Image des etwas steifen Politikers mit der abgeschliffenen Politrhetorik entkommt man im Social Web hingegen fast von selbst.

Nicht alle Politiker können dabei freilich so erfolgreich sein wie Barack Obama, dessen Tweet „Four more years“ rekordverdächtige 809.000 Mal geteilt wurde. Doch interessierte Bürger aus dem eigenen Wahlkreis oder sogar dem eigenen Stadtbezirk lassen sich via Twitter (wie auch über Facebook) gezielt ansprechen.

Service: Twitter-Listen der StZ

Wer sich aus erster Hand mit Meinungen und Informationen aus der Politik versorgen will, dem seien die Twitter-Listen der Stuttgarter Zeitung empfohlen. Wir haben sämtliche aktiven Accounts der Landesregierung, von Landtagsabgeordneten samt ihren Fraktionen, von B undestagsabgeordneten aus der Region Stuttgart sowie von kommunalpolitischen Akteuren in Stuttgart zusammengefasst. Twitter-Nutzer können diese Listen einfach abonnieren und lesen damit über diesen gesonderten Kanal themenspezifisch die neuesten Tweets aus der Politik.

Falls Accounts auf diesen Listen fehlen, freuen wir uns über einen kurzen Hinweis an internet@stz.zgs.de oder an unseren Twitter-Account.