Die Grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt hat beim politischen Aschermittwoch in Biberach kleinere und größere Gemeinheiten ausgeteilt. Eine Breitseite gab es für Bayern für das Betreuungsgeld.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Biberach - Am 22. September, da sei es vorbei mit Schwarz-Gelb, mit Politikern wie dem bayerischen „Ramsaurier“ und auch mit der Regentschaft der Kanzlerin, die von ihrer Partei als „Alleinstellungsmerkel“ vorgeschoben werde. Das hat die Rededebütantin beim Aschermittwoch der Grünen in Biberach, die Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt, in die Stadthalle gerufen. Fast 1000 Leute waren gekommen, so viele wie seit Jahren nicht, angelockt vom Siegesvorgefühl eines gerade begonnenen Wendewahljahres und von Neugier auf die thüringische Frontfrau.

 

Das Publikum wurde nicht enttäuscht, Göring-Eckardt („Ich bin zwar keine Berlinerin, aber ich habe trotzdem nichts gegen Schwaben“) teilte wendig kleinere und größere Gemeinheiten aus. Eine Breitseite gab es für Bayern für das Betreuungsgeld. Eine „sinnlose“ Gabe, fand die Grüne, drei bis vier Milliarden Euro sei „eindeutig zu viel für das Schreikind Horst Seehofer“.

Vor Göring-Eckardt war Renate Künast dran gewesen, die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, die, auch das war neu, beschwingt auftrat wie nie. „Vom Bodensee aus kann man bis zur Ostsee laufen, ohne ein Territorium zu verlassen, das von Grün mitregiert wird“, freute sich Künast mit Bezug auf die Niedersachsenwahl und kündigte an: „Nur bei der Papstwahl werden wir nicht mitkandidieren“. Katrin Göring-Eckardt hatte sich derweil über die Parallelveranstaltungen im Süden kundig gemacht und wusste nachher, dass Edmund Stoiber in Passau Papst Benedikt XVI. als größten Bayer bezeichnet hatte. „Ein bisschen beleidigt geguckt hat Seehofer dann doch“, witzelte sie vom Rednerpult aus.

Dem Papst zollte Kretschmann für seinen Rückzug Respekt

Stracks kam die Spitzenkandidatin zur FDP und traf sie mit dem gemeinen Satz: „Wer böse Witze über die FDP hören will, der muss nach Karlsruhe fahren, dort spricht heute Dirk Niebel.“ Die Biberacher zeigten sich erwärmt vom Auftritt Göring-Eckardts, und an den Tischen fragte man sich bei Tee und Apfelschorle, was Winfried Kretschmann da noch draufsetzen sollte. Sein bloßes Erscheinen gab diesem 17. politischen Aschermittwoch erstmals etwas Arriviertes, schließlich sprach Kretschmann jetzt schon zum zweiten Mal als Landesvater. Wie immer verzichtete der Regierungschef darauf, auf politischen Gegnern herumzutrampeln, dafür präsentierte er sich, und das war neu, als eine Art aktiv gewordener Vulkan. Mit kratziger Stimme wetterte Kretschmann los. Seine Angegriffenheit, versicherte er, sei aber nicht dem Froschkuttelessen in Riedlingen zuzuschreiben sondern einer Grippe.

Ihn nerve, wetterte Kretschmann, wie das politische Geschäft „skandalisiert“ werde. „Ist es eigentlich so wichtig, was ein Politiker da nachts am Tresen loslässt?“ fragte er in Bezug auf Rainer Brüderle. Er zog in Zweifel, dass es „zielführend“ sei, die „Fußnoten“ in der Arbeit von Annette Schavan 30 Jahre nach deren Entstehen durchzuarbeiten. Den Anwesenden rief er zu: „Sie werden die Heiligen niemals bekommen da oben. Denn da Sie sie wählen, können sie nicht heiliger sein als Sie selbst.“ Der Saal horchte betroffen auf – und erfuhr schließlich, was Kretschmann so erregte. Es sind Angriffe gegen ihn selbst. Am Samstag habe ihn eine Mobilfunkgegnerin auf der Treppe seines Privathauses beschimpft. In Bad Saulgau, wo ein Streit über die Gemeinschaftsschule tobt, wurden ihm Protestplakate entgegengereckt. Dem Papst zollte Kretschmann übrigens für seinen Rückzug Respekt. Sein gedanklicher Zusatz fügte sich allerdings nahtlos in den Ton der ganzen Rede. „Wir in der Demokratie haben es da leichter: Wir werden entweder abgewählt oder zurückgetreten.“ Der Applaus für Kretschmann signalisierte: Der Landesvater kann sagen was er will, wir mögen ihn trotzdem ganz arg.