Die Polizei gefährdet mit ihrem Beharren auf der Mitschuld der Demonstranten das gute Miteinander in der Stadt, meint unsere Redakteurin Christine Bilger.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Eigentlich ist das Schmerzensgeld ein Angebot zur Aussöhnung. Der Verursacher des Leids anerkennt, dass er dem Gegenüber etwas angetan hat und zahlt ihm dafür eine Entschädigung. So geschieht es nun auch im Fall der Stuttgart-21-Gegner, die am 30. September 2010 im Schlossgarten durch die Wasserwerfer der Polizei an den Augen verletzt wurden.

 

Eigentlich könnte man damit den lange herbeigesehnten Schlussstrich unter die Geschichte des „schwarzen Donnerstags“ und der juristischen Folgen des Tages ziehen. Hunderte Stunden saßen Juristen über den Akten und erörterten, wen welche Schuld trifft. Bis am Ende das Verwaltungsgericht mit der Entscheidung, der Einsatz war unrechtmäßig, den Weg für die Schmerzensgeldzahlungen freimachte.

Aber es bleibt bei einem einschränkenden „Eigentlich“. Denn die Polizei hat in ihrem Vorschlag über die Höhe des Schmerzensgelds etwas wiederholt, was seit Jahren nicht nur den betroffenen Verletzten und S-21-Gegnern bitter aufstößt: Nach wie vor geht sie von einer Mitschuld der Demonstranten an deren Verletzungen aus. Nach dem Motto, sie hätten ja weichen müssen, wie es die Polizei damals angewiesen hatte.

Polizei und S-21-Gegner waren bereits auf dem richtigen Weg

Natürlich gibt es Zeitgenossen, die das Weite gesucht hätten angesichts der aufgefahrenen Wasserwerfer. Doch meist kommt der Spruch, man hätte ja weggehen können, von Personen, die damals nicht im Park waren. Die Menschen waren aufgebracht und agierten aus dem Moment heraus. Das darf man nicht vergessen. Ebenso wenig, dass es ihr gutes Recht war, zu protestieren, wie vom Verwaltungsgericht bestätigt, das den Protest im Park als Versammlung einstufte.

Das Land als Dienstherr der Polizei hat sich offiziell entschuldigt. Die Polizeiführung auch. Polizei und S-21-Gegner haben zu einem guten Umgang miteinander zurückgefunden. Die Vorwürfe der Demonstranten sind immer weniger geworden. Alle waren auf dem richtigen Weg und eigentlich schon wieder in der Normalität angekommen. Deswegen regt das Beharren auf der Mitschuld die Opfer auf, denen nun ein Zeichen der Aussöhnung zukommen sollte. Das ist dem guten Klima in der Stadt abträglich, unnötig und ärgerlich zugleich.