In der Politik herrscht Konsens, dass mehr Zuwandererkinder bei der Polizei in Baden-Württemberg wünschenswert sind. Eine echte Bürgerpolizei erfordere kulturelle Vielfalt, Weltoffenheit und ein vorurteilsfreies Miteinander.

Stuttgart - So ganz genau weiß Innenminister Reinhold Gall (SPD) nicht, wie viele Polizisten mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg schon Dienst tun. Die Datenbasis ist unsicher. So viel aber ist gewiss: Es sollen mehr werden. Eine echte Bürgerpolizei erfordere kulturelle Vielfalt, Weltoffenheit und ein vorurteilsfreies Miteinander innerhalb der Polizei und in der Gesellschaft, sagte der Innenminister am Donnerstag im Landtag. „Unser Ziel ist, den Personalkörper der Polizei den gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Da sind wir auf einem guten Weg.“

 

Die SPD-Fraktion hatte das Thema Migranten bei der Polizei auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt – auch deshalb, weil Anspruch und Wirklichkeit vielleicht doch noch ein Stück weit auseinanderliegen. Diese Lesart legte jedenfalls Nikolaos Sakellariou, der Polizeisprecher der SPD-Fraktion, nahe. Er zitierte aus einer bundesweiten Studie, laut der Migranten und Migrantenkinder immer noch eine gewisse Scheu vor dem Polizistenberuf zeigten, die in der Angst vor Rassismus gründe. Oder zumindest in dem Zweifel, ob die Polizei wirklich Migranten in ihren Reihen wolle. Eine Gefühlslage, die Sakellariou unter Verweis auf die Fehler und Pannen bei den Ermittlungen zu den Morden der rechtsextremistischen Terrorbande NSU für nicht völlig aus der Luft gegriffen hält.

Freiwillige Befragungen

Von der Polizei wünscht sich der SPD-Abgeordnete das Signal: „Wir laden euch ein, wir zählen auf euch.“ Am Morgen vor seiner Rede hatte Sakellariou in der Stuttgarter Zeitung Zahlen gelesen, die ihn umtreiben: 38 Prozent der Hochqualifizierten mit Migrationshintergrund denken konkret ans Auswandern. Als Begründung geben 42 Prozent ein mangelndes Heimatgefühl an.

Auf acht Prozent beziffert Sakellariou den Migranten-Anteil in der Polizei. Eine Zahl, die man im Innenministerium so nicht bestätigen will. Erhebungen sind aus Datenschutzgründen schwierig, weil sofort der Vorwurf der Diskriminierung erhoben werden könnte. Seit 2009 gibt es bei den Einstellungen freiwillige Befragungen in anonymisierter Form. Demnach, sagte Innenminister Gall im Landtag, hätten beim Einstellungsjahrgang 2012/2013 etwa 27 bis 28 Prozent der Bewerber einen Migrationshintergrund, bei den Einstellungen lag die Quote immer noch nahe 20 Prozent. Das ist kein schlechter Wert. Laut dem Statistischen Landesamt liegt der Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung bei 26 Prozent. Er ist so hoch wie in keinem anderen deutschen Flächenland.

Kulturelles Verständnis

Innenminister Gall hatte bereits nach seinem Amtsantritt 2011 für einen höheren Migrantenanteil bei der Polizei geworben und gesagt, ein Fehler zu viel im Einstellungsdiktat dürfe nicht den Weg in den Polizeidienst versperren. Damit löste er eine aufgeregte Diskussion innerhalb der Polizei, deren Gewerkschaften und auch in der Politik aus. So erhob Thomas Blenke, der Polizeisprecher der CDU-Fraktion, auch jetzt wieder die Forderung, es dürfe bei der Einstellung „keine Absenkung der Anforderungen geben, insbesondere nicht bei der Sprachkompetenz“. Dabei bestreitet auch die Opposition nicht, dass Polizisten mit Migrationshintergrund wichtig sind, zum Beispiel, weil sie die kulturellen Eigenheiten der Zuwanderermilieus besser verstehen. „Sie verstehen die Sprache sie verstehen die Kultur, und sie können als Vorbild wirken“, sagte Blenke. Der FDP-Abgeordnete Ulrich Goll bezeichnete es als ein Gebot der Chancengleichheit, Migranten den Weg in alle Bereiche der Staatsverwaltung zu ebnen. Petra Häffner von den Grünen nannte die Migranten angesichts der demografischen Entwicklung „eine Ressource, die wir brauchen“.

Inzwischen ist es so, dass bei der Einstellung die Beherrschung zusätzlicher Sprachen als Pluspunkt gewertet wird. Das kann Türkisch sein, gilt aber genauso für Französisch oder Spanisch. Deutschkurse sollen Bewerber auf die Einstellungsprüfung vorbereiten.