In der Partyszene steigt die Gefahr, mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht gesetzt zu werden. Die Dunkelziffer ist hoch, die Polizei registriert aber immer mehr Verdachtsfälle. Woher stammt das verbotene Narkosemittel, das in der Szene als Liquid Ecstasy bekannt ist? Manchmal ist es auf der Straße zu kaufen.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Offenbar war es das richtige Bauchgefühl und das gute Auge, das die Sonderstreifen der Polizei von der Sicherheitskonzeption Stuttgart für Verdächtige in der Innenstadt haben – und das nun einen 20-jährigen Drogenhändler auffliegen ließ. Der junge Mann war am Mittwoch gegen 20.30 Uhr mit einer Gruppe am Eckensee im oberen Schlossgarten aufgefallen und landete am nächsten Tag vor dem Haftrichter. Zu seiner Ware zählte offenbar Liquid Ecstasy, das in der Partyszene der Stadt gerne als K.-o.-Tropfen eingesetzt wird.

 

„Zunächst war es eine reine Routinekontrolle, bei der einer der Gruppe ziemlich nervös wurde“, sagt Polizeisprecher Thomas Doll. Der 20-Jährige hatte auch allen Grund dazu. In der Jacke und in einer Tasche hatte er eine bunte Mischung aus synthetischen Drogen dabei, dazu eine Feinwaage, Verpackungsmaterial und andere Gegenstände, die von Drogenhändlern gewöhnlich benutzt werden. Ein Vortest des Stoffs ergab den Verdacht auf Gamma-Butyrolacton, kurz GBL, in der Szene auch als Liquid Ecstasy bekannt und von Partygästen als K.-o.-Tropfen gefürchtet.

Auch Stuttgarter Playmate war schon Opfer

Die Substanzen gibt es nicht nur irgendwo übers dunkle Internet – sondern auch auf dem Schwarzmarkt der Straße. Der 20-Jährige gehört offenbar zu jenen Händlern, bei denen der Stoff leicht zu haben ist. Ansonsten ist das Liquid Ecstasy, auch unter der Bezeichnung Gamma-Hydroxybutansäure bekannt, eher ein Phantom. Denn für die Opfer ist ein Anschlag gleich mehrfach bitter: Zum einen werden sie für betrunken gehalten, können sich später an nichts mehr erinnern – und der Stoff ist auch nur nach wenigen Stunden im Blut nicht mehr nachweisbar.

Für die Opfer, die meist zwischen Bewusstlosigkeit und heftiger Übelkeit leiden, ist die Wirkung besonders schlimm – das Playmate und Fotomodell Mia Gray, heute Grauke, gehört zu den prominentesten Stuttgarter Opfern. Im schlimmsten Fall kann ein solcher Anschlag gar tödlich enden. In Baden-Württemberg kamen im vergangenen Jahr drei Menschen durch die Wirkung der K.-o.-Substanzen ums Leben.

Neuer Rekordwert für 2016 befürchtet

Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) verzeichnet seit Jahren ungebremste Steigerungsraten. „Auch 2016 ist die Zahl der Fälle steigend“, sagt LKA-Sprecher Horst Haug. Dabei hatte man schon 2015 mit 255 registrierten Fällen von sogenannten Körperverletzungen durch Vergiftung einen Rekordwert erreicht. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren hatte die Ermittlungsbehörde des Landes noch von 13 Vorfällen gesprochen. Im Jahr 2009 waren es dann schon 135 Verdachtsfälle. Erwischt werden die Täter selten – es sei denn, es handelt sich um Beziehungstaten. Ein 38-Jähriger, der 2015 einen 30-Jährigen nach dem Besuch einer Schwulenbar in seiner Wohnung schachmatt gesetzt und schwer misshandelt hatte, wurde zu einer Haftstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt.

Auch der 20-jährige Kleindealer aus dem Schlossgarten landete hinter Gittern. Doppelt hält besser: Gegen den Wohnsitzlosen hatte schon wegen eines anderen Drogendelikts in Stuttgart ein Haftbefehl bestanden.