Die Zahl der Unfälle ist unterm Kappelberg erneut gestiegen. Mehr als die Hälfte macht sich einfach aus dem Staub. Unfallflucht macht aus einem Bagatellschaden eine Straftat.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Bei Blechschäden im Straßenverkehr muss die Polizei auch in Fellbach immer öfter nach dem Verursacher fahnden. Dass Menschen auch zu ihren Missetaten stehen, scheint mittlerweile nämlich eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Bei deutlich mehr als der Hälfte aller Unfälle unterm Kappelberg macht sich der Schuldige lieber heimlich aus dem Staub als sich mit Hilfe seiner Versicherung um eine faire Regelung des Schadens zu kümmern – und lässt den Besitzer oft auf den unverhofften Reparaturkosten sitzen.

 

„Wenn sich keine Zeugen bei uns melden, haben wir kaum eine Chance, einen flüchtigen Unfallverursacher auch zu ermitteln“, räumt Klaus Auer, der Leiter des Fellbacher Polizeireviers ein. Der Chef der für Kernen und die drei Fellbacher Stadtteile zuständigen Dienststelle sieht in der polizeiinternen Verkehrsstatistik für das abgelaufene Jahr 2015 durchaus einen Beleg für eine Verrohung der Sitten.

Die wachsende Quote der Unfallfluchten sticht ins Auge

Hier ein abgefahrener Außenspiegel an einem am Straßenrand geparkten Wagen, dort ein Dellen im Blech hinterlassender Parkrempler vor einem Möbelhaus – neben der steigenden Zahl der Unfälle selbst sticht beim Blick auf die Bilanz die weiter wachsende Quote der Unfallfluchten ins Auge. 952 mal krachte es zwischen Januar und Dezember 2015 unterm Kappelberg. Bei 528 dieser Verkehrsverstöße ging der Verursacher lieber stiften als sich mit Papierkram aufzuhalten.

Im Vorjahr hatte es bei 876 Blechschäden noch 507 Unfallfluchten gegeben. Zu den polizeilich registrierten Unfällen hinzugerechnet werden müssen in der Verkehrsstatistik allerdings noch die so genannten Zählfälle. Bei dieser Kategorie handelt es sich um geringfügige Ordnungswidrigkeiten im Verwarnungsbereich – Bagatellunfälle also, bei denen es keine Strafpunkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei und maximal 35 Euro Geldbuße gibt. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Zählfälle von 1472 auf 1571 an – was die Gesamtzahl der Blechschäden unterm Kappelberg auf 1523 katapultiert.

„Die Zahl der wirklich schweren Unfälle hält sich in Fellbach glücklicherweise in Grenzen, weil im Stadtverkehr in der Regel keine hohen Geschwindigkeiten gefahren werden. Aber wir haben eben brutal viele Auffahrunfälle“, erläutert Auer den Bericht. Der Revierleiter spricht wegen der Vielzahl der Blechschäden im Stadtgebiet auch gern davon, dass „Fellbach als der Schrottplatz des Rems-Murr-Kreises“ gilt.

Im Jahr 2015 werden noch nicht mal 300 Unfälle mit Personenschaden registriert

Tatsächlich wurden im Jahr 2015 noch nicht mal 300 Unfälle mit Personen-schaden registriert. In 256 Fällen trug die Polizei einen leicht verletzten Menschen in die Statistik ein, 35 mal war von einer schweren Verletzung die Rede. Das sind zwar mehr Blessuren als ein Jahr zuvor, aber immer noch verhältnismäßig niedrige Zahlen. 2014 hatte es 199 leicht und 30 schwer verletzte Unfallopfer gegeben.

Besondere Unfallschwerpunkte zeigten sich laut Revierleiter Klaus Auer nicht, auch die durch Verwechslung der gültigen Ampel brisante Situation an der so genannten Todeskreuzung bei Oeffingen hat sich nach seiner Einschätzung seit der Einrichtung der Einfädelspur entspannt. Übrigens spricht die Verkehrsstatistik aus Sicht der Polizei auch nicht für die viel diskutierte Einrichtung einer Tempo-30-Zone in der Bahnhofstraße. „Die Unfälle passieren meist tagsüber, da ist ohnehin keine höhere Geschwindigkeit möglich“, sieht Auer in der Verkehrssicherheit kein Argument für Schneckentempo auf der zentralen Achse.

Bei den Unfallursachen zählt mangelnder Sicherheitsabstand zu den häufigsten Fehlern

Apropos: Bei den Unfallursachen zählt mangelnder Sicherheitsabstand zu den häufigsten Fehlern, gefolgt von Vorfahrtsverletzungen. Alkohol spielte bei nur noch 23 Unfällen eine Rolle, ein deutlicher Rückgang. Gestiegen ist von 142 auf 167 hingegen ist die Zahl der Senioren, die bei einem Unfall am Steuer saßen. Ebenfalls erhöht hat sich von 133 auf 172 die Zahl der in einen Crash verwickelten Jungfahrer. Und: Die Zahl der Radunfälle ist von 70 auf 76 leicht gestiegen. In mehr als der Hälfte der Fälle waren übrigens die Pedaltreter selbst als Verursacher am Unfall schuld.

Abzulesen sind die Entwicklungen im Straßenverkehr allerdings nicht nur in der Polizeistatistik. Das Stichwort Unfallflucht taucht auch immer öfter in der Terminvorschau des Waiblinger Amtsgerichts auf. Durch aufmerksame Zeugen hat die Polizei im vergangenen Jahr immerhin 183 der 528 flüchtigen Verkehrsteilnehmer gefasst. Ihr Problem: Durch das „unerlaubte Entfernen vom Unfallort“ wird oft genug auch aus einem Bagatellschaden eine Straftat.