Justizminister Goll und seine Fraktion segnen den Polizeieinsatz rasch ab - ganz anders als die FDP-Bundesspitze oder die Julis.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Die Analyse war pointiert, aber durchaus diskussionswürdig. Den Gegnern von Stuttgart 21, argwöhnte Justizminister Ulrich Goll (FDP), gehe es gar nicht um die Kosten des Milliardenprojekts. Gerade das Stuttgarter "Halbhöhenpublikum" sorge sich wegen der Belästigung durch die anstehenden Bauarbeiten. "Die Menschen", klagte Goll, "sind in zunehmender Zahl sehr unduldsam und wohlstandsverwöhnt."

Der Spitzenkandidat der Südwest-Liberalen bewies damit gleich dreifach Mut. Zum einen attackierte er unerschrocken die eigene Klientel, nämlich die Gutverdiener aus den besseren Wohnlagen. Zum zweiten provozierte er prompt Verweise auf seinen persönlichen Wohlstand: Wer sich aus einer Laune heraus mal eben einen Ferrari zulege, hieß es, solle sich bei dem Thema besser zurückhalten. Gewagt war aber vor allem der Zeitpunkt seiner Bürgerschelte in der Financial Times Deutschland »: Sie erschien wenige Tage nach dem umstrittenen Polizeieinsatz im Schlossgarten - und damit auch nach Meinung führender Freidemokraten terminlich deplatziert.

Schuld soll die Pressestelle sein


Die Wortmeldung habe "nicht in die Landschaft gepasst", bedauerte sogar die FDP-Landeschefin Birgit Homburger. Sie habe mit Goll sofort darüber gesprochen und eine Erklärung für das unglückliche Timing erhalten: Das Gespräch mit der Zeitung sei kurz vor dem Polizeieinsatz geführt, aber erst danach veröffentlicht worden. Versuche, die Zitate zurückzuholen, scheint es indes nicht gegeben zu haben. So wurde der Fauxpas intern als "Panne bei der Pressearbeit" abgehakt.

Doch er blieb nicht die einzige Merkwürdigkeit beim Umgang der FDP mit dem "schwarzen Donnerstag". Die Chance, sich als Bürgerrechtspartei zu profilieren, wurde zumindest in Baden-Württemberg nur sehr eingeschränkt genutzt. Während Homburger mit ihrem Vorstoß für einen Schlichter in die Offensive zu kommen suchte, stellte sich die Landtags-FDP - vorneweg Goll - eng an die Seite des in die Defensive geratenen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU). "Einsatz der Polizei im Schlossgarten war verhältnismäßig", verkündete die Fraktion per Pressemitteilung nach der Anhörung von Innenminister Heribert Rech (CDU) und der Sichtung von Polizeivideos. Die "im Grunde friedlichen Proteste", erläuterte der Vorsitzende und Mappus-Freund Hans-Ulrich Rülke, seien "durch einen Kern aggressiver Demonstranten überlagert" worden.