Hat Ex-Premier Stefan Mappus (CDU) Einfluss auf einen Polizeieinsatz für Stuttgart 21 genommen? Ex-Polizeichef Siegfried Stumpf will indirekt eine Weisung von ihm erhalten haben, der Übermittler aber bestreitet das energisch.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war der erste öffentliche Auftritt für Siegfried Stumpf, seit er den Strafbefehl wegen des Polizeieinsatzes im Stuttgarter Schlossgarten akzeptiert hat. Fotos und Filmaufnahmen hatte sich der frühere Stuttgarter Polizeipräsident als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss zum „schwarzen Donnerstag“ verbeten. Obwohl er wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt rechtskräftig bestraft ist, ließ er sich von seiner Anwältin begleiten – um ihn zu beraten, was er sagen dürfe und was nicht, erläuterte er eingangs.

 

Doch die Juristin musste nicht eingreifen, Stumpfs Auftritt ging unerwartet zügig über die Bühne. Vor allem eines wollten die Abgeordneten von ihm wissen: Ob er bei seiner Aussage bleibe, dass er im August 2010 auf Geheiß des Staatsministeriums von Stefan Mappus (CDU) einen Polizeieinsatz früher als von ihm beabsichtigt durchführen musste, um einen Bagger an den Nordflügel des Bahnhofs zu bringen? So hatte es Stumpf schriftlich in einer Protestmail festgehalten, so berichtete er es im Kreis von Polizeiführern, die Mappus’ angebliche Vorgabe schließlich mit den Worten beschrieben, der Bagger müsse rein – oder der Regierungschef hole eine Polizei aus einem anderen Bundesland.

Telefonate unterschiedlich in Erinnerung

Mappus selbst hatte jede Einflussnahme stets bestritten. Er soll die Order freilich nicht selbst gegeben haben, sondern über den damaligen Landespolizeipräsidenten Wolf-Dieter Hammann. Als Zeuge vor Stumpf bestritt Hammann – inzwischen Amtschef im Integrationsministerium – das jedoch nachdrücklich. Er sei damals direkt oder indirekt vom Staatsministerium angerufen worden, weil es zwischen der Bahn und der Regierungszentrale Differenzen über den Termin des Polizeieinsatzes gab. Anschließend habe er ein- oder zweimal mit Stumpf dazu telefoniert. Nach seiner Erinnerung sei der Dissens ausgeräumt worden, von einer Weisung des Ministerpräsidenten habe er sicher nichts gesagt und eine solche auch nicht erhalten. An einen derart ungewöhnlichen Vorgang würde er sich erinnern, meinte Hammann, der sonst immer wieder Erinnerungslücken geltend machte. So will er sich selbst gewundert haben, als Stumpf anderntags schriftlich gegen die Vorgabe protestierte – und sie zähneknirschend umsetzte. Er könne sich „nicht erklären“, wie der Stuttgarter Polizeichef dazu komme, von einer Weisung durch Mappus zu sprechen.

Protestmail bleibt ohne jede Reaktion

Doch Stumpf zeigte sich als Zeuge unbeirrt: Ihm sei am Telefon „klipp und klar eine Weisung“ übermittelt worden. Laut Hammann habe sich nach der Beschwerde der Bahn Mappus eingeschaltet, im Staatsministerium sei daraufhin die Entscheidung gefallen, dass er den Einsatz vor dem von ihm favorisierten Termin durchführen müsse. Warum, fragte Stumpf, hätte er sonst am nächsten Tag per Mail remonstrieren sollen? Auf den Protest hin habe es keinerlei Reaktion gegeben, seine Vorwürfe seien „einfach so im Raum stehen“ geblieben. Auch als sie im September 2010 bei einer Tagung von Polizeiführern zur Sprache kamen, habe der anwesende Inspekteur der Polizei dazu geschwiegen.

Wem also glauben, Stumpf oder Hammann? Es bleibe eindeutig ein Dissens, meinte der FDP-Obmann Timm Kern. Sein CDU-Kollege Reinhard Löffler zeigte sich eher von Hammanns Aussage überzeugt („sehr geradlinig“) , der Grünen-Obmann Hans-Ulrich Sckerl eher von Stumpfs („sehr unbeirrt“). Sascha Binder (SPD) meinte, keiner habe wohl falsch ausgesagt, sondern beide aus ihrer jeweils subjektiven Sicht richtig. In einem waren sich Stumpf und Hammann übrigens einig: bei dem Einsatz am 30. September habe es keinen politischen Einfluss auf die Polizei gegeben. Mit dem eigentlichen Gegenstand des Ausschusses habe der Baggereinsatz nichts zu tun, befanden CDU und FDP.

Warten aufs Urteil zu Gönners Mails

Das Gremium hat sein Beweisprogramm damit weitgehend absolviert. Gespannt wartet es nun auf die Entscheidung der Verwaltungsgerichte in Sigmaringen und Stuttgart: Sie müssen entscheiden, ob die Mails von Ex-Ministerin Tanja Gönner (CDU) und ihres einstigen Amtschefs Bernhard Bauer an den Landtag herausgegeben werden. Beide haben gegen die Absicht des Umweltressorts geklagt, im Fall Gönners soll in Sigmaringen vielleicht schon im Mai eine Entscheidung fallen. Im Licht der Urteile werde dann über das weitere Vorgehen entschieden, hieß es.