Die Standortideen der Landesregierung treffen im Land auf ein geteiltes Echo. Vor allem die Landräte, die bald keine Direktion mehr haben, schimpfen.

Stuttgart - Grün-Rot betont, von einer Schwächung des ländlichen Raumes könne keine Rede sein. Doch die CDU-Landtagsfraktion sieht „die Polizeipräsenz in 25 Stadt- und Landkreisen nachhaltig geschwächt“. „Schlagkräftige Direktionen“ würden „zu zentralisierten Mammutbehörden umgebaut“, sagen Fraktionschef Peter Hauk und der innenpolitische Sprecher Thomas Blenke. Die Reform gefährde „die Sicherheit in Baden-Württemberg“. Die CDU will darum für den Erhalt aller Direktionen kämpfen. CDU-Landeschef Thomas Strobl möchte mit www.die-polizei-muss-bleiben.de eine Unterschriftenaktion lostreten.

 

Kritik kommt auch von der FDP. „Es ist schon auffallend, dass Polizeipräsidien dort platziert werden, wo die Großkopfeten der SPD sitzen“, unkt Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, in Ludwigsburg, wo SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel lebt, oder in Reutlingen, dem Wahlkreis von SPD-Landeschef Nils Schmid. Mit der Bevorzugung des eigenen Personals gehe die Vernachlässigung des ländlichen Raumes einher. Die SPD-Fraktion hingegen hält die Verteilung der Zuständigkeiten für „sehr ausgewogen“, sagt der Polizeiexperte Nik Sakellariou. Petra Häffner, die polizeipolitische Sprecherin der Grünen, meint: „Mit der Polizeireform setzen wir ein starkes Zeichen für mehr Polizei in der Fläche. Durch die Reform würden im Schnitt zwei zusätzliche Stellen pro Revier geschaffen. Das bringe „keine messbare Verstärkung; nicht einmal ein zusätzlicher Streifendienst pro Schichtbetrieb ist dadurch sichergestellt“, sagt Eberhard Trumpp, der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages. Der bewährte „räumliche Gleichklang“ zwischen Polizeidirektionen und Landratsämtern würde aufgegeben, ohne dass der Nutzen ersichtlich wäre. So skeptisch sehen es die Betroffenen nicht. Die Gewerkschaft der Polizei bemerkt, dass ihrem Hinweis, die Kriminalpolizei nicht aus der Fläche zurückzuziehen, „in weiten Teilen Rechnung getragen worden“ sei. Die Gewerkschaft bemängelt Informationsdefizite und kündigt an, die Umsetzung „weiterhin kritisch konstruktiv zu begleiten“. tb

„Berufsspektiven gehen verloren“

Mit der Aufgabe der Polizeidirektion Mosbach, die Heilbronn zugeschlagen wird, werde vor Ort entgegen anderen Ankündigungen „keine Stärkung der Polizeipräsenz eintreten“, kritisiert der Mosbacher Landrat Achim Brötel (CDU). Mit der Reform verliere der ländliche Raum zudem an interessanten beruflichen Perspektiven. Wer bei der Polizei etwas werden wolle, müsse sich „wohl oder übel“ in Richtung Großstadt orientieren. joe

Von „großer Bestürzung“ sprach der Oberbürgermeister von Göppingen, Guido Till. „Alle meine Befürchtungen haben sich bestätigt“, die Stadt sei „klarer Verlierer der Reform“. Till kritisierte die Distanz und die schlechte Straßenverbindung nach Ulm, wo künftig das für Göppingen zuständige Präsidium angesiedelt ist. Er erkenne in der Reform einen ersten Schritt zu einer schwerwiegenden Abtrennung Göppingens von der Region Stuttgart. Auch der Landrat Edgar Wolff (Freie Wähler) sprach von einem Verlust für den Landkreis. Erfreulich sei, dass in Göppingen das neue Präsidium für den Einsatzbereich der Bereitschaftspolizei angesiedelt werde. Wolff kritisierte jedoch, dass künftig keine Polizeischüler mehr in Göppingen ausgebildet würden. „Das ist schwer zu akzeptieren.“ Zufrieden äußerte sich die Staatsanwaltschaft in Ulm, die für Ermittlungen im Kreis Göppingen zuständig ist. Im Gegensatz zu anderen Szenarien erleichtere der nun gefundene Zuschnitt die Absprachen mit der Polizei, sagte ihr Sprecher Michael Bischofberger. kew

Böblingen befürchtet qualitative Einbußen

Skeptisch äußert sich auch Heinz Eininger (CDU). „Der direkte und gute Kontakt zwischen der Polizeidirektion Esslingen und dem Landratsamt als Kreispolizeibehörde muss erhalten bleiben“, fordert der Landrat. „Ich befürchte einen Verlust der Arbeitseffizienz und guter Kooperationen, wenn Esslingen nicht Sitz eines Polizeipräsidiums bleibt“, sagt er. ber

Der Böblinger Landrat Roland Bernhard findet die Standortentscheidungen „weniger schlimm als erwartet“, befürchtet aber „qualitative Einbußen“, wenn die Polizeiführung nicht mehr vor Ort sein kann. Zumal der parteilose Landrat die Effizienz der Reform nicht erkennen kann. Die Verlegung der Polizeiführung nach Ludwigsburg sei immer noch besser als die ursprünglich geplante Fusion mit Pforzheim. „Wegen der Autobahnverbindung kann es hier durchaus Sinn machen, ein gemeinsames Staumanagement zu betreiben. Schon jetzt ist das Autobahnpolizeirevier Ditzingen für die Brennpunkte dies- und jenseits des Engelbergtunnels in beiden Landkreisen zuständig. Der bisherige Leiter der Polizeidirektion, Rudi Denzer, weist darauf hin, dass die Reform ausdrücklich den Erhalt von Außenstandorten zulässt – weil nämlich bei der Neustrukturierung bestehende Liegenschaften der Polizei genutzt werden sollen. Hart trifft es den Standort der Bereitschaftspolizei Böblingen. Die Einsatzabteilung soll nach Göppingen wandern. mic

In Ludwigsburg hüllt sich der Leitende Polizeipräsident Frank Rebholz vorerst in Schweigen. Im Gegensatz zum Polizeichef ist der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas auskunftsfreudiger. „Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden“, sagt er. Unabhängig wie man zur Reform stehe, sei die Entscheidung vernünftig, das Polizeipräsidium in Ludwigsburg zu erhalten. „Ich war von Anfang an optimistisch“, sagt er. ily

Waiblingen erkennt positive Ansätze

Angesichts der in Waiblingen verbleibenden Kriminalpolizeidirektion, sieht Rems-Murr-Landrat Johannes Fuchs in den Reformplänen „positive Ansätze trotz schmerzlicher Einschränkungen“. Der Zuschlag für Aalen als Präsidiumssitz für die drei Landkreise „bedeutet einen Aderlass für uns“. Angesichts der zuvor auch drohenden Gefahr einer kompletten Verschmelzung mit Ludwigsburg „hätte der Flurschaden größer ausfallen können“. Ähnlich äußert sich Uwe Bieler, der Personalratsvorsitzende der PD Waiblingen: „Ich bin froh, dass der Standort des neuen Präsidiums nicht Ludwigsburg geworden ist.“ Mit den Gebieten Schwäbisch Hall und dem Ostalbkreis seien die „größten Synergieeffekte“ zu erwarten. har/fro