Cornelia Ackers, die Redakteurin des „Polizeirufs 110“ aus München, will persönliche Geschichten erzählen. Am Sonntag läuft die Folge „Morgengrauen“.

Stuttgart - Sie gilt als eine Art Muse oder „Anima“ für viele Filmemacher. Nicht nur für den „Polizeiruf 110“ aus München kann die BR-Redakteurin Cornelia Ackers deshalb immer wieder mit bedeutenden Regisseuren zusammenarbeiten.

 
Frau Ackers, wollten alle schon lange Hanns von Meuffels verliebt sehen?
Ja, aber Gegenfrage: Warum wollen es eigentlich alle? Weil sich die Figur für die Zuschauer öffnen soll? Wir wollten in dieser „Polizeiruf“-Folge auch erzählen, was eigentlich mit einem Menschen passiert, wenn er 365 Tage im Jahr immer nur mit Tod, Verderben, Missbrauch, Blut und Abgründen zu tun hat. Ob er da trotzdem noch lieben kann.
Stand das ursprünglich so im Drehbuch?
Da gehen wir jetzt direkt in das rein, was meine Arbeit ist. Wenn mir jemand, wie in dem Fall von „Morgengrauen“ Alexander Adolph, ein toll geschriebenes, gut recherchiertes Drehbuch anbietet, das in einer Jugendvollzugsanstalt spielt, droht oft die Gefahr, dass die Seele einer Geschichte durch die Mechanik des Plots verloren geht. Um ein Milieu wirklich mit aufgerissener Brust erleben zu können, muss ich  mit dem Kommissar, der sonst im schlimmsten Fall nur bürokratische Arbeit macht, weiter reingehen ins Geschehen. Wir brauchen eine Figur, die uns mitnimmt in das Gestrüpp des Lebens. Deswegen sind wir für „Morgengrauen“ dann auf die Idee gekommen, dass sich von Meuffels in der Vollzugsanstalt in eine Frau verliebt, die dort arbeitet. Eine Frau, die nicht so vordergründig hübsch ist, dass er sich auf oberflächliche Weise gleich verliebt. Zwischen Hanns von Meuffels und Karen Wagner, gespielt von Sandra Hüller, läuft das eher so ab wie in einem Shakespeare-Stück: Zwei Menschen die sich erst mal aufgrund ihrer Intelligenz und ihrer Besonderheit Schrittchen für Schrittchen vorwagen. Bis es zum Eklat kommt, weil seine von Kriminalität verseuchte Seele ihr zu misstrauen beginnt.
Inzwischen interessiert man sich als Zuschauer so sehr für die Entwicklung der Figur des Hanns von Meuffels, dass die Krimihandlung fast in den Hintergrund tritt. Ist das so gewollt?
Ja, das ist ganz entschieden mein Ansatz. Als ich hier beim BR anfing, die Krimis zu übernehmen, hatte ich zwei kleine Kinder und konnte die Gewaltthematik kaum aushalten. Ich war sehr durchlässig. Krimis gab es schon genug, und außerdem saß ich wie ein Schulmädchen über der Logistik der Fälle: Was, wenn die Tatwaffe zu diesem Zeitpunkt . . .? Und dann dachte ich mir, entweder ich gebe das hier wieder ab, oder ich mache es so, wie ich es machen möchte und kann, und verlasse diese Krimimuster. Und dann bin ich meinen Weg gegangen, indem ich fragte, was spürt man in seinem tiefsten Innern, wenn Fantasien von Gewalt, Verbrechen, Unglück in einem auftauchen. In kriminellem Umfeld kann man Menschen tiefer, direkter begegnen. Man ist schneller in ihrer Substanz, ihrem Schmerz, ihren falschen Visionen vom Leben. Irgendwann rennen sie damit gegen die Betonwand. Und dann sind wir da und fangen an, die Geschichte aufzuschreiben.