Sollte die Mitgliedschaft von Polizisten beim Ku-Klux-Klan unter den Teppich gekehrt werden? Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags hegt einen schlimmen Verdacht.

Stuttgart - Es war nur ein Satz, aber er reichte aus, um die nach stundenlanger Zeugenbefragung zermürbten Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses zu elektrisieren: Er habe die Order gehabt, „schnell und sensibel, aber nicht in die Breite zu ermitteln“. Das sagte Ernst H., ein leitender Polizeidirektor im Ruhestand, der im Jahr 2004 bei der Bereitschaftspolizei Böblingen die unangenehme Aufgabe übertragen bekommen hatte, das Disziplinarverfahren gegen Timo H. zu führen. Gegen jenen jungen Polizisten also, der zusammen mit seinem Kollegen Jörg W. 2001/2002 für einige Monate Mitglied im Ku-Klux-Klan gewesen war.

 

Nicht in die Breite ermitteln? Wieso eigentlich, wo doch die Frage im Raum stand, was Polizisten auf die abstruse Idee bringt, einem Rassistenverein beizutreten? Wäre es da nicht angezeigt gewesen, die Umgebung dieser Beamten auf rechtsradikale Strömungen innerhalb des sensibelsten Teils der Staatsgewalt, des Sicherheitsapparats, abzuklopfen? Der Umgang der Polizeiführung mit der Ku-Klux-Klan-Affäre irritiert die Abgeordneten des Landtagsausschusses ohnehin schon gewaltig. Denn die beiden Klan-Polizisten waren bereits im Jahr 2002 im Rahmen einer Abhöraktion des Verfassungsschutzes aufgeflogen, bei einer G-10-Maßnahme also, wie es im Behördendeutsch heißt. Es dauerte aber zwei Jahre, bis gegen die Beamten disziplinarrechtlich vorgegangen wurde. Abgeschlossen wurden die Verfahren erst 2005. Die Tatbestände waren da schon verjährt.

Nicht das „kleine Opfer schlachten“

Ernst H., seinerzeit Dienstvorgesetzter von Timo H., berichtete, er habe die Klan-Mitgliedschaft damals auch als „äußerst bedenklich“ empfunden. Im Fall von Timo H. sei sogar die Entlassung aus dem Dienst Thema gewesen, doch dafür habe es rechtlich keine Möglichkeit gegeben, auch wenn der junge Mann noch nicht Beamter auf Lebenszeit gewesen sei. Außerdem habe er in Timo H. nur einen naiven, ansonsten tadellosen Mitläufer gesehen, der von seinem älteren Kollegen Jörg W. angestiftet worden sei. Man habe doch „das kleine Opfer nicht schlachten“ und den Anstifter quasi verschonen können, gegen den wegen abgelaufener Verjährungsfristen nichts mehr zu machen gewesen sei. Die Anweisung, nicht in die Breite zu ermitteln, habe er im Übrigen vom Chef der Bereitschaftspolizei erhalten. Als Begründung führte Ernst H. an, es sollte nicht öffentlich werden, dass die Erkenntnisse aus einer G-10-Maßnahme stammten.

Aber diese Erklärung stellte die Abgeordneten nicht zufrieden. Denn es trifft zwar wohl zu, dass die Verfassungsschützer bei der erstmaligen Unterrichtung des Innenministeriums darum baten, die inkriminierten Polizisten wegen laufender operativer Maßnahmen zunächst nicht vor Mitte September 2002 mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Aus einer handschriftlichen Notiz ergibt sich aber, dass die Verfassungsschützer am 16. September 2002 mitteilten, nun könnten „Sicherheitsgespräche“ mit den Polizisten geführt werden.

Breite Kritik im Ausschuss

Es geschah aber nichts. 15 Monate lang. Im Dezember hakten die Verfassungsschützer erneut nach, um dann im Januar 2004 nochmals dasselbe Schreiben an das Landespolizeipräsidium zu senden, das sie schon im Juni 2002 abgeschickt hatten, das aber im Innenministerium „nicht mehr auffindbar“ gewesen sei. Und auch dann wurde so lange gezögert, bis am Ende für Timo H. nur eine Zurechtweisung herauskam, für seinen Gefährten Jörg W. vom Polizeipräsidium Stuttgart eine Rüge.

Bei dem Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) drängt sich der Eindruck auf, „dass das Ablaufen von Fristen kein Zufall war, sondern dadurch stärkere Disziplinarmaßnahmen verhindert“ werden sollten. Die SPD-Abgeordnete Rita Haller-Haid sagte: „Der Verdacht dass bagatellisiert wurde, liegt schon nahe.“ Der CDU-Abgeordnete Matthias Pröfrock monierte: „Beide Disziplinarverfahren waren mangelhaft.“ Ulrich Goll (FDP) kritisierte: „Das geht nicht, was da gelaufen ist.“