Ermordete Polizistin stammte aus Thüringen, LKA sieht jedoch keinen Zusammenhang mit der Tat.

Stuttgart - Warum ermordeten Neonazis aus Thüringen vor viereinhalb Jahren in Heilbronn eine Polizistin? Es hat nach den Worten von Dieter Schneider, Chef des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg, wohl nichts damit zu tun, dass die Beamtin Michéle Kiesewetter selbst aus Thüringen stammt. „Dafür gibt es keine Anhaltspunkte“, sagte Schneider am Donnerstag in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. „Es mag solche Zufälle geben.“ Aus der erneuten Durchleuchtung des Umfelds von Kiesewetter habe sich „bisher kein Motiv für das Verbrechen ergeben“.

 

Ermittler suchen nach anderen Kontakten der zwei Männer

Die Ermittler suchen verstärkt nach anderen möglichen Kontakten der zwei Mitglieder der Terrorgruppe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, in den Raum Heilbronn. Bei den Ermittlungen zum Heilbronner Polizistenmord hat es aus LKA-Sicht keine Panne gegeben. „Es hat damals keine Hinweise auf ein Fluchtfahrzeug gegeben“, sagte ein Behördensprecher auf Anfrage. Nach dpa-Informationen hatte die Polizei bei der Fahndung nach den Mördern der Polizistin am Tattag im April 2007 ein Wohnmobil mit einem Kennzeichen aus Ostdeutschland registriert. Der Mieter war der 37-jährige Holger G., der inzwischen als mutmaßlicher Unterstützer des Zwickauer Neonazi-Trios in Haft sitzt.

Nach dem Mord habe es eine große Fahndung gegeben

Der LKA-Sprecher erklärte, nach dem Mord an der Polizistin habe es eine große Fahndung in Heilbronn gegeben. Dabei seien zahlreiche Fahrzeuge samt Kennzeichen registriert worden. „Das war eine polizeiliche Standardmaßnahme.“ Einen Verdacht habe es aber damals nicht gegeben. Jetzt - viereinhalb Jahre später - würden die Zusammenhänge geprüft, nachdem sich Mundlos und Böhnhardt vom Neonazi-Trio vor knapp zwei Wochen in einem Wohnmobil bei Eisenach in Thüringen erschossen hatten. Die beiden Männer werden für die Mordserie an neun Geschäftsleuten türkischer und griechischer Abstammung zwischen 2000 und 2006 verantwortlich gemacht.

Mord an Polizistin diente anscheinend nicht der Waffenbeschaffung

Schneider hält es für eher unwahrscheinlich, dass die Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ es auf die Waffen von Kiesewetter und ihres damals schwer verletzten Kollegen abgesehen hatten. „Wenn man betrachtet, dass die Zelle der NSU bereits über zahlreiche Waffen verfügte, ist es für mich nicht logisch, hier einen Mord ausschließlich zur Waffenbeschaffung zu verüben“, sagte Schneider. Deswegen geht die Polizei nun der Frage nach, ob die NSU Kontaktpersonen in der rechten Szene im Raum Heilbronn hatte oder womöglich Banküberfälle geplant oder durchgeführt hat.

Das Wohnmobil sei ein wichtiger Ansatzpunkt

„Wir ermitteln in alle Richtungen: Das eine sind Bezüge, die sich aus dem rechtsextremistischen Hintergrund ergeben können, das andere sind Bezüge, die sich aus möglichen Tatplanungen zur Geldbeschaffung oder anderer Straftaten ergeben können.“ Ein wichtiger Ansatzpunkt sei das Wohnmobil, dass die Neonazis offensichtlich in Heilbronn benutzt hatten. Das Fahrzeug sei am 25. April 2007 nach der Tat von Heilbronn bei einer Ringfahndung gesichtet worden. Dabei wurden laut Schneider 35 000 Kennzeichen registriert. Nach der Erkenntnis, dass es sich um Täter aus Ostdeutschland handelt, habe man die Autokennzeichen nochmal überprüft und einen Treffer gelandet.

Helfer der Terroristen hatte das Wohnmobil angemietet

Nach Medienberichten hatte der Helfer der Terrorgruppe, Holger G., das Wohnmobil angemietet. Schneider bilanzierte die bisherigen Erkenntnisse: „Wir haben klare Anhaltspunkte, dass die NSU im Zusammenhang mit diesem Mord steht. Wir können aber nicht zuordnen, wer es aus dieser Gruppe war und mit welcher Motivation.“ Die Sonderkommission mit 32 Kräften plus Verbindungsbeamte beim BKA und Kriminaltechniker arbeiteten aber mit Hochdruck an der weiteren Aufklärung.

Sicherheitsbehörden seien auf dem rechten Auge nicht blind

Der LKA-Chef bestritt vehement, dass die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren auf dem rechten Auge blind gewesen seien. „Für uns genießt die Bekämpfung extremistischer Straftater einen ständigen Schwerpunkt.“ Zwar sei im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus in den vergangenen Jahren „mehr, aber auch zusätzliches Personal“ eingesetzt worden. „Wir haben den Links- und Rechtsextremismus aber nicht vernachlässigt.“ Die Polizei sei mit hohem Kontrolldruck und ständiger Aufklärung „relativ dicht an der rechtsextremistischen Szene dran“.