Einen Stock tiefer wohnt Dalya*, die zweite Frau. Sie ist gut zehn Jahre jünger als Sarkan, selbstbewusst, ihre Haltung so aufrecht, dass ein Yogalehrer neidisch werden könnte. Dalya hat acht Geschwister, sie ist eine entfernte Cousine aus Sarkans Heimatdorf, wo bald jeder mit jedem verwandt ist und ein Ticket nach Deutschland so etwas wie ein Lottogewinn. Sarkan hat sie gefragt, ob sie die Mutter seiner Kinder sein will, als zweite Frau – und sie hat eingewilligt. „Ja, das stimme“, sagt Dalya, der fast alles übersetzt werden muss.

 

Das Deutsche ist ihr so fremd wie die Vorstellung, jemals ohne Ehemann zu leben. Sie erfüllt ihre häuslichen Pflichten, zupft jede Fluse vom Teppich, leert die Waschmaschine, die unter einem Spitzenvorhang im blitzeblank geputzten Badezimmer steht. Auch in der Küche ist sie die Chefin. An diesem Vormittag serviert sie für alle das Frühstück. Schwarzer Tee und Fladenbrot, gebackene Paprikaschoten, kleine Schüsseln mit Sesampaste und selbst gebackenen Keksen. Anke bedient sich, Sarkan hat Hunger und keine Lust aufs weitere Übersetzen. Dalya schaut verloren zu, sie tippt auf ihrem Handy herum.

Ob Sarkan seine Zweitfrau liebt?

„Wie kann ich die Mutter meiner vier Kinder nicht lieben“, fragt er zurück.

Der schwäbische Türke ist sehr gläubig und würde seine Frauen nie betrügen

In der Gemeinde wird Sarkan geschätzt, der Mann mit den freundlichen Augen und dem Bart, der allmählich ergraut, geht jedes Wochenende in die Moschee, Alkohol fasst er nicht an. Das Dreiermodell gefällt ihm, jeder hat seine Rolle. „Anke ist mein Außenminister, Dalya mein Innenminister und ich bin der Gastarbeiter, der das Geld heimbringt“, sagt er lachend. Er lebe, wie Allah es fordert, sagt er und ärgert sich darüber, dass sein Kollege abends in der Kneipe den Ehering abstreift und in die Hosentasche steckt. „Das ist scheinheilig“, schimpft Sarkan und schwört auf Treue. Niemals könne er sich vorstellen, fremd zu gehen, niemals würde er seine Frauen betrügen oder sie verletzen.

Es hätte alles gut gehen können mit den beiden, wenn Anke nur schwanger geworden wäre. „Ein einziges Kind hätte gereicht“, sagt die Frau mit dem himmelblauen Kopftuch und der dicken Brille, „dann wäre mir vieles erspart geblieben.“ Doch weder der Sex nach Fruchtbarkeitskalender noch die Gebete halfen. Sieben Jahre lang warteten sie vergeblich auf Nachwuchs. Erst als viel später der Gynäkologe an einer Universitätsklinik Anke zwei verklebte Eileiter diagnostizierte, wussten sie warum. „Da hätte ich noch eine künstliche Befruchtung machen können, aber das wollte ich nicht“, sagt Anke und schaut Sarkan nicht in die Augen. Ob Sarkan seine Erstfrau liebt? „Ja, sonst wäre ich nicht mit ihr zusammen. Sie ist meine große Liebe.“

Die Zweitfrau Dalya ist zehn Jahre jünger und sollte Sarkan den Nachwuchs gebären

Einen Stock tiefer wohnt Dalya*, die zweite Frau. Sie ist gut zehn Jahre jünger als Sarkan, selbstbewusst, ihre Haltung so aufrecht, dass ein Yogalehrer neidisch werden könnte. Dalya hat acht Geschwister, sie ist eine entfernte Cousine aus Sarkans Heimatdorf, wo bald jeder mit jedem verwandt ist und ein Ticket nach Deutschland so etwas wie ein Lottogewinn. Sarkan hat sie gefragt, ob sie die Mutter seiner Kinder sein will, als zweite Frau – und sie hat eingewilligt. „Ja, das stimme“, sagt Dalya, der fast alles übersetzt werden muss.

Das Deutsche ist ihr so fremd wie die Vorstellung, jemals ohne Ehemann zu leben. Sie erfüllt ihre häuslichen Pflichten, zupft jede Fluse vom Teppich, leert die Waschmaschine, die unter einem Spitzenvorhang im blitzeblank geputzten Badezimmer steht. Auch in der Küche ist sie die Chefin. An diesem Vormittag serviert sie für alle das Frühstück. Schwarzer Tee und Fladenbrot, gebackene Paprikaschoten, kleine Schüsseln mit Sesampaste und selbst gebackenen Keksen. Anke bedient sich, Sarkan hat Hunger und keine Lust aufs weitere Übersetzen. Dalya schaut verloren zu, sie tippt auf ihrem Handy herum.

Ob Sarkan seine Zweitfrau liebt?

„Wie kann ich die Mutter meiner vier Kinder nicht lieben“, fragt er zurück.

Der schwäbische Türke ist sehr gläubig und würde seine Frauen nie betrügen

In der Gemeinde wird Sarkan geschätzt, der Mann mit den freundlichen Augen und dem Bart, der allmählich ergraut, geht jedes Wochenende in die Moschee, Alkohol fasst er nicht an. Das Dreiermodell gefällt ihm, jeder hat seine Rolle. „Anke ist mein Außenminister, Dalya mein Innenminister und ich bin der Gastarbeiter, der das Geld heimbringt“, sagt er lachend. Er lebe, wie Allah es fordert, sagt er und ärgert sich darüber, dass sein Kollege abends in der Kneipe den Ehering abstreift und in die Hosentasche steckt. „Das ist scheinheilig“, schimpft Sarkan und schwört auf Treue. Niemals könne er sich vorstellen, fremd zu gehen, niemals würde er seine Frauen betrügen oder sie verletzen.

„Es war ein Schlag ins Gesicht“, sagt Anke und bekommt feuchte Augen. Weil sie keine Kinder bekommen konnte, sollte sie in die Scheidung einwilligen. Eine Frau für den Nachwuchs sollte her, Sarkans Eltern machten Druck. „Ich kann vieles einstecken“, sagt sie und arrangiert sich mit dem, was sie nie wollte. Ausnahmsweise fährt Sarkan allein in sein Heimatdorf, sucht sich seine Kindsmutter aus, heiratet und schwängert sie. „Ich war über seine Entscheidung enttäuscht“, sagt Anke, „ich hatte gehofft, er nimmt eine andere aus der Verwandtschaft, eine Freundin von mir, die mir wie eine Schwester war.“

Einen Tag vor der Ankunft der Neuen habe ihr Mann sie informiert, ihr gesagt dass er an den Flughafen müsse. Die Zweitfrau kam 1998 mit den zwei in der Türkei geborenen Kindern. Die Kleinen zogen bei Anke und Sarkan im Schlafzimmer ein. „Es war hart“, sagt Anke, „als plötzlich eine Wildfremde bei uns wohnte. Das Dreiermodell begann als Desaster. „Ich musst acht Wochen in die Nervenklinik“, erinnert sich Anke, es habe ständig Streit gegeben, „ich war aggressiv.“ Später hat sie sich daran gewöhnt, sie war im Kreißsaal dabei, als das dritte Kind auf die Welt kam. Bei den Einschulungen vertrat sie die Familie, sie geht zu den Elternabenden und kümmert sich, um das Zimmer für die Älteste, die auswärts studiert.

Der Rechtswissenschaftler Mathias Rohe sagt, Polygamie sei etwas Schlechtes

Polygamie ist etwas Schlechtes, sagt Mathias Rohe, er ist Rechts- und Islamwissenschaftler an der Uni Erlangen. „Aber wir können unser Strafrecht nicht auf die Ganze Welt ausdehnen.“

„Zu dritt zusammenzuleben zehrt an den Nerven“, sagt Anke, glücklicherweise sei sie geduldiger geworden über die Jahre. Sie habe Sarkan viel zu verdanken, ihn zu verlassen komme nicht Frage.

Als die anderen draußen sind, räumt Dalya das Geschirr ab. „Sie ist eine gute Frau“, sagt Dalya über Anke und strahlt, „auch mein Mann ist gut.“

Für Sarkan ist klar, dass seine Frauen jederzeit gehen können, wenn sie nicht bei ihm leben wollen. „Aber zu den Kindern“, sagt er, „haben sie dann keinen Kontakt mehr“, dafür werde er sorgen.

*Name geändert