Die Agentur Pulsmacher experimentiert mit ihrem „Pop up Office“. Ein Büro, das in einem lange leer stehenden Gebäude aufgetaucht ist und dort nach einem Jahr wieder verschwinden kann.

Ludwigsburg - Nichts ist hier für die Ewigkeit. Regale und viele Sitzgelegenheiten sind aus grauen Bäckerkisten gebaut. Sie können jederzeit in anderer Form an einem anderen Ort auftauchen – vielleicht als Bar oder als Raumtrenner. Ähnliches gilt für das ganze Büro: „Nach einem Jahr überlegen wir uns, ob wir weiterziehen“, erklärt Kreativchef Thorsten Weh. Deshalb hat die Ludwigsburger Agentur Pulsmacher das Projekt Pop-up-Office genannt – also: plötzlich auftauchendes Büro.

 

Der Pop-up-Trend ist in der Region zum Beispiel durch die Kurzzeit-Läden in der Stuttgarter Fluxus Concept Mall oder durch das Restaurant Supper Club bekannt, das an verschiedenen Orten auftauchen und ebenso schnell wieder verschwinden kann. Geschäftsräume aufploppen zu lassen ist aber neu.

„Heute ist es auch für Agenturen schwer, gute Leute zu bekommen“

Bisher verschwinden Büros eher unfreiwillig schnell – zum Beispiel nach Firmenpleiten oder wegen Platzmangels. Bei Pulsmacher steckt ein Plan dahinter: Ziel sei es, die Unternehmenskultur kreativ zu halten, sich nicht auf eingefahrenen Strukturen auszuruhen, immer in Bewegung zu bleiben. „In neuen Räumen fällt es leichter, neu zu denken und alte Strukturen hinter sich zu lassen“, sagt Weh. Außerdem sei es wichtig, Mitarbeitern etwas zu bieten. „Heute ist es für Agenturen schwer, gute Leute zu bekommen.“

Deshalb hat das Event- und Marketingunternehmen, das rund 20 Mitarbeiter beschäftigt, im September des vergangenen Jahres kurzerhand beschlossen, den Mietvertrag im Werkzentrum West in Ludwigsburg auslaufen zu lassen – obwohl dieser nur noch bis Januar lief. „Das war erst mal ein Schock für uns Mitarbeiter“, sagt Mowi Awara, Trainee bei Pulsmacher.

Mit Hochdruck hat Pulsmacher nach neuen Räumen gesucht

Die Geschäftsführer Jochen Schroda und Jens Kenserski suchten mit Hochdruck nach einem geeigneten Raum in Stuttgart und Ludwigsburg. Trendige Projekte aus der Neuen Arbeitswelt, die gerade unter dem Fachbegriff New Work Furore machen, haben sie durchforstet, Industriehallen untersucht und schließlich das seit drei Jahren leer stehende ehemalige EnBW-Regionalzentrum an der Hofer Straße entdeckt. Das erste Stockwerk mit grauen Zweier-Büros und langen Gängen kam nicht infrage, aber im Erdgeschoss mit großer Küche erkannten sie ihre neue Spielwiese. Vor allem der ehemalige Veranstaltungssaal dort bot viel Platz.

Beim Umzug warf die Agentur drei Container Ballast ab und erschuf mit den Mitarbeitern eine neue Arbeitswelt. „Mit den Kollegen umzuziehen und unser Büro selbst zu gestalten hat uns näher zusammen gebracht“, sagt Mowi Awara. Herausgekommen ist ein Büro, das Kommunikation und Kreativität fördern sowie zur Gesundheit der Mitarbeiter beitragen soll.

Die Chefs haben jetzt keine eigenen Zimmer mehr

„Früher hatte zum Beispiel jeder Chef ein eigenes Zimmer“, erklärt Weh. Heute arbeiten die Geschäftsführer mitten im offenen Büro mit freier Platzwahl. Sie seien jetzt für alle einfacher ansprechbar, bekämen viel mehr mit. Für Rückzug, Ideenfindung oder Besprechungen gibt es die passenden Räume. Das Besondere dabei: Jeder Raum wurde von einem Künstler gestaltet, mit dem die Agentur zusammenarbeitet. Beispielsweise hat der Sprayer-Künstler AVone aus New York die Säulen im offenen Büro mit Freiheitsstatue und Dollar-Scheinen zum Hingucker gemacht. Künstler Robin Treier hat mit 80 Quadratmetern Papier einen Kreativraum zur Brainstorming-Höhle umgestaltet.

Und weil gute Einfälle sich nicht erzwingen lassen, ist ein Nickerchen auf dem Sitzsack im Hinterzimmer erlaubt. „Außerdem haben wir unseren Koch mitgenommen“, sagt Weh. Er sorgt für täglich frisches Essen, Bio-Obst und Wasser sind gratis. „Uns geht es auch um Nachhaltigkeit“, erklärt Weh. „Ende März setzen wir uns zusammen und überlegen, was gut gelaufen ist und was wir ändern müssen.“