Die Experten der Porsche-Beratungstochter Porsche Consulting sind weltweit in vielen Branchen gefragt. In diesem Jahr feiert das Unternehmen den 20. Geburtstag. Die Geschichte einer anfangs ziemlich ungewöhnlichen Idee.

Stuttgart - Vor zwölf Jahren reiste Heiko Rauscher erstmals durch China. Es war eine große Tour. Als Rucksacktourist tummelte er sich in Metropolen wie Peking und Shanghai, wagte sich in Tibet im Alleingang in das auf mehr als 5000 Meter Höhe gelegene Base Camp des Mount Everest. Der gebürtige Reutlinger fasste auf dieser Reise, wie er erzählt, einen Entschluss: „Wenn ich die Gelegenheit bekomme, in China zu arbeiten, die ergreife ich.“

 

Vor acht Jahren packte Heiko Rauscher die Gelegenheit beim Schopf und heuerte bei einer Unternehmensberatung in China an. Vor anderthalb Jahren wechselte der promovierte Wirtschaftsingenieur dann zum Beratungsunternehmen Porsche Consulting. Der 44-Jährige, der die offizielle Landessprache Mandarin spricht, mit einer Chinesin verheiratet ist und einen kleinen Sohn hat, baut für die Schwaben eine Tochtergesellschaft in Shanghai auf. „Die bisherige Entwicklung ist sehr positiv“, berichtet der Porsche-Mann. Die Chinatochter sei im vergangenen Jahr schneller vorangekommen als ursprünglich geplant, und auch in diesem Jahr sehe es recht gut aus. Es sei relativ schnell gelungen, Kunden zu gewinnen, darunter auch viele aus Baden-Württemberg.

Im Mittelpunkt stehen Autohersteller und deren Zulieferer sowie Maschinen- und Anlagenbauer. So habe man etwa einen Traktorhersteller beim Aufbau neuer Standorte unterstützt und für einen Anlagenbauer eine Strategie zur Weiterentwicklung seiner Werke erarbeitet. Aufträge gibt es nicht nur von europäischen, sondern auch von chinesischen Unternehmen. „Viele chinesische Firmen möchten im Ausland expandieren und stoßen dabei auf ähnliche Probleme wie deutsche in China“, berichtet Rauscher.

Das Team der Porsche-Tochter in Shanghai besteht mittlerweile aus zehn Beratern, alle außer dem Chef sprechen Chinesisch als Muttersprache, die meisten haben sowohl Berater- als auch Industrieerfahrung. Auf mittlere Sicht könnte das Team auf 30 bis 40 Berater aufgestockt werden, so Rauscher. Man wolle wachsen, aber „mit Augenmaß“.

Um in China als Berater erfolgreich zu sein, „braucht man Fachkompetenz und muss auch die Kultur verstehen“, berichtet der Porsche-Manager. Dabei gehe es nicht nur um die Sprache, sondern auch darum, wie man mit den Leuten spreche. Manches laufe im Beratungsgeschäft in China anders als hierzulande. Die Belegschaften seien vergleichsweise jung, viele Mitarbeiter seien oft erst relativ kurz in den Unternehmen, kennen die Branche und die Firma noch nicht so richtig. All dies trage dazu bei, dass vom Berater sehr stark die fertige Lösung erwartet werde, während die Fachkräfte hierzulande stark an den Projekten beteiligt werden wollten.

Die Porsche Consulting Ltd. in Shanghai ist einer von mittlerweile sechs Standorten der Beratungstochter des Stuttgarter Autobauers, die im Herbst das 20-jährige Bestehen feiern kann. Neben der Zentrale in Bietigheim und der Tochter in China gibt es heute auch Büros in Hamburg, Mailand, São Paulo und Atlanta. Damit sieht sich das Unternehmen zunächst einmal rund um den Globus gut aufgestellt. Das Beratungsunternehmen erreichte im vergangenen Jahr mit 370 Mitarbeitern einen Umsatz von 85 Millionen Euro. Der Gewinn sei „sehr ordentlich“, meint Unternehmenschef Eberhard Weiblen und schmunzelt zufrieden bei der Frage, ob dies so ungefähr als 20 bis 30 Prozent Umsatzrendite vor Steuern interpretiert werden könne. Nach der bisherigen Planung sollte der Umsatz bis 2018 auf 160 Millionen Euro und die Zahl der Mitarbeiter auf rund 700 nahezu verdoppelt werden, ohne an Ertragskraft zu verlieren. Derzeit werden die Ziele für 2020 erarbeitet. Details will Weiblen noch nicht verraten.

Vom Beratungsmarkt erwartet er indes keinen allzu großen Rückenwind. Dicke zweistellige Zuwachsraten seien passé, meint Weiblen. Viele Konzerne hätten eigene Consultingteams aufgebaut und würden nur noch selektiv Beratungsleistungen einkaufen. Zudem versuchten Einkaufsabteilungen, Druck auf die Honorare auszuüben.

Gegründet wurde die Beratungstochter, nachdem der Sportwagenbauer Anfang der 90er Jahre eine radikale Kurskorrektur geschafft hatte und auf dem Weg vom Pleitekandidaten zum profitabelsten Autohersteller der Welt war. Mit einem kleinen Team war der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking nach Japan gereist und hatte die Geheimnisse der schlanken Produktion nach dem Vorbild von Toyota studiert.

Anschließend brachten Produktionsexperten des japanischen Beratungsunternehmens Shingijutsu das Toyota-Knowhow nach Zuffenhausen. Die Fertigung wurde umgebaut, die viel zu großen Materialbestände neben den Bändern wurden beseitigt, in Workshops gemeinsam mit Lieferanten wurde untersucht, wie die Einkaufskosten gesenkt werden können und beide Seiten davon profitieren. Als der kleine Autobauer auf die Erfolgsspur kam, wurden andere Unternehmen hellhörig und wollten von den Zuffenhausenern lernen. Sie hatten den Wunsch, „der Porsche ihrer Branche zu werden“, wie Eberhard Weiblen es formuliert.

Porsche-Chef Wiedeking witterte darin ein Geschäft. Im Aufsichtsrat wurde diese Idee zunächst belächelt, schließlich meinten die Kontrolleure, dass beim Autobauer genug zu tun und keine Zeit für Nebenbeschäftigungen vorhanden sei. Doch schließlich gaben sie grünes Licht für die Gründung der Beratungstochter. „Wir wollen die in unserem Haus gewonnene Kompetenz nach draußen tragen“, kündigte damals Michael Macht als erster Chef der Beratungstochter an. Macht war als „rechte Hand“ Wiedekings schon bei der Studienreise in Japan dabei.

Eberhard Weiblen kam Anfang 1995 als fünfter Mitarbeiter zu Porsche Consulting, drei Jahre später löste er an der Spitze Michael Macht, der damals Produktionschef des Autobauers wurde, ab. Heute ist Macht Produktionsvorstand des VW-Konzerns. Weiblen hatte nach dem Studium der technisch orientierten Betriebswirtschaftslehre in Stuttgart zunächst einen Ausflug in die amerikanische Skiindustrie gemacht. Danach arbeitete der Schwabe einige Jahre beim Beratungsunternehmen Arthur Andersen, bevor er zur jungen Porsche-Tochter wechselte, wo eine „Start-up-Atmosphäre“ herrschte, wie sich Weiblen erinnert. Einer der ersten Kunden zahlte kein Honorar, sondern stattete die junge Truppe im Gegenzug für die Beratungsleistung mit Büromöbeln aus. Ein erstes Großprojekt, das länger als ein Jahr die Auslastung sicherte, wurde von der Daimler-Nutzfahrzeugsparte an Land gezogen.

Im Laufe der Jahre waren die Dienste der Berater in einer Vielzahl von Branchen gefragt, von der Autoindustrie über die Luft- und Raumfahrt, die Bauindustrie und die Softwarebranche bis hin zum Krankenhausbetreiber.

Auf der Kundenliste stehen schwäbische Familienunternehmen wie der Werkzeugmaschinenbauer Trumpf und der Schokoladenhersteller Ritter Sport ebenso wie der europäische Flugzeugriese Airbus und die Schweizer Großbank UBS.

Obwohl der Autobauer Porsche heute eine hundertprozentige VW-Tochter ist, wird seine Beratungstochter weiter den Löwenanteil des Geschäfts mit externen Kunden machen. Etwa 30 Prozent der Aufträge kommen aus dem Konzern. Die Porsche-Berater hätten schon für alle VW-Töchter außer Scania gearbeitet, berichtet Weiblen. Es gab allerdings auch Zeiten, in denen sie in den VW-Fabriken scheel angesehen wurden. Vor etwa sechs Jahren, in der heißen Phase der Übernahmeschlacht, in der Porsche VW übernehmen wollte, galten die Rationalisierungsexperten in Wolfsburg als Wiedekings Rollkommandos. Doch dies ist Geschichte.

Dennoch gibt es auch heute im Konzern nichts geschenkt. „Wir müssen konzernintern genauso um Aufträge kämpfen wie jeder andere“, berichtet Weiblen. Es gebe allerdings eine Ausnahme. Bei heiklen Themen, so Weiblen, bei denen der Konzern das Knowhow nicht nach draußen geben wolle, vertraue VW lieber den eigenen Beratern.