Jahrzehntelang war er eine, vielleicht sogar die prägende Figur in der deutschen Autobranche: Ferdinand Piëch. Der Enkel des Firmengründers und VW-Käfer-Entwicklers Ferdinand Porsche könnte am Dienstag seinen letzten großen Auftritt auf der Autobühne haben.

Stuttgart - Kommt er - oder kommt er nicht? Diese Frage ist Jahr für Jahr eins der Hauptthemen auf der Hauptversammlung der VW-Dachgesellschaft Porsche SE: Zuletzt war Ferdinand Piëch in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied der einflussreichen Beteiligungsholding 2014 bei dem Stuttgarter Aktionärstreff. Doch 2015 begann der Familienknatsch - Piëch äußerte sich überraschend kritisch über den damaligen VW-Konzernboss Martin Winterkorn, seine Verwandten des Porsche-Familienzweiges gaben ihm keine Rückendeckung. Piëch grollte, der Groll wurde größer. Er blieb den Porsche-SE-Versammlungen 2015 und 2016 fern. Und dieses Jahr?

 

Aus Aufsichtsratskreisen der Porsche SE verlautete am Montagabend, Piëch werde wohl kommen - an einer Sitzung des Kontrollgremiums am Montag in Stuttgart nahm der 80-Jährige teil. Und so dürfte Piëch als Aufsichtsrat der PSE Platz nehmen, um sich in dieser Funktion bestätigen zu lassen. Theoretisch ginge die Wiederwahl auch in Abwesenheit. Der frühere Auto-Patriarch bleibt bei der Stuttgarter Beteiligungsholding also an Bord - vorerst zumindest.

Denn klar ist auch: Den Stuhl als Porsche-Kontrolleur, auf dem er schon seit 1981 sitzt, wird Piëch bald räumen. Schließlich hat er vor kurzem fast sein komplettes Aktienpaket an Verwandte verkauft. 14,7 Prozent hielt er an der mächtigen Beteiligungsholding, die 52,2 Prozent der Stimmrechte am Autobauer Volkswagen hält. Marktwert seines Pakets: gut 1,1 Milliarden Euro. Ferdinand Piëch verkaufte seine allermeisten Aktien an seinen Bruder Hans Michel Piëch, der wiederum einen Teil davon an den Porsche-Zweig weiterreichte.

Wieviel, ist unklar - der Piëch-Stamm in dem mächtigen Autoclan soll aber auch künftig mehr als 25 Prozent an der PSE halten und somit die Sperrminorität haben. Diese Balance, das hat Familiensprecher Wolfgang Porsche beteuert, soll erhalten bleiben.

Macht geht an die nächste Generation über

Bis spätestens Frühjahr 2018 dürften Finanzbehörden dem Aktiendeal zugestimmt haben. Wenn das grüne Licht kommt, soll auch der Auto-Patriarch außer Diensten, Piëch, sein Mandat niederlegen - und den Platz freimachen für einen jüngeren Verwandten.

Der Übergang der Macht von der 3. auf die 4. Generation - also von den Enkeln des Autogenies Ferdinand Porsche auf dessen Urenkel - lässt zwar noch etwas auf sich warten. Für den Autoexperten Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch-Gladbach ist das aber nur eine Frage der Zeit. „Wir werden den Generationswechsel in den nächsten Jahren erleben - da wird es einige Veränderungen geben.“ Die Zeiten, in denen der Autoclan streng unterscheide zwischen Porsche- und Piëch-Zweig, neigten sich dem Ende entgegen. Aus Sicht von Bratzel ist der Abgang von Piëch auch eine Chance, den familieninternen Graben zu überwinden.

Der 3. Generation bei den Porsche/Piëchs gehören sechs Familienmitglieder an, darunter Ferdinand Piëch, sein Bruder Hans Michel sowie deren Cousin Wolfgang Porsche. Zur 4. Generation wiederum zählen 34 Verwandte. Hier ist noch nicht absehbar, wer künftig vor allem in den Fokus rückt. Es ist aber naheliegend, dass es Nachfahren sein werden, die ohnehin schon in der Pflicht stehen und schon jetzt Aufsichtsratsposten im VW-Reich haben.

Harte Entscheidung im Jahr 1971

Da wäre zum Beispiel Ferdinand Oliver Porsche, Jahrgang 1961, Neffe von Wolfgang Porsche. Der Jurist sitzt ohnehin schon im Aufsichtsrat der PSE, von VW und Audi - damit hat er in der 4. Generation den meisten Einfluss. Da wäre zudem der Sohn von Familiensprecher Wolfgang, Christian Porsche, Jahrgang 1974 - der Mediziner mit Praxis in Salzburg sitzt im Aufsichtsrat der VW-Lastwagentöchter MAN und Scania. Peter Daniell Porsche, ebenfalls Neffe von Wolfgang, hat eine Beteiligungsholding mit Verlagen und kleinen Industrieunternehmen - er ist im Kontrollgremium der VW-Tochter Skoda.

Hinzu kommen andere Kandidatinnen: etwa Julia Kuhn-Piëch, Jahrgang 1981, Tochter von Hans Michel Piëch - sie ist im Aufsichtsrat bei MAN und Audi. Die im Jahr 1957 geborene Louise Kiesling sitzt im VW-Aufsichtsrat. Eigentlich gehört sie zum Piëch-Zweig, doch sie brachte ihre Aktien ein in eine Stiftung auf der Porsche-Seite. So hat Kiesling schon vor Jahren den familieninternen Graben überwunden.

Dieser Graben war einst so tief, dass die Familienzweige 1971 eine harte Entscheidung fällen mussten: Sie einigten sich darauf, dass kein Verwandter mehr operativ das Sagen haben durfte beim Sportwagenbauer Porsche. Auch Ferdinand Piëch musste damals gehen - und machte später Karriere bei Audi und Volkswagen. Seine Wiederwahl als Porsche-Aufsichtsrat am Dienstag könnte das letzte Kapitel einläuten, in dem Zugehörigkeit zu einem der Familienzweige noch eine große Rolle spielt - bevor jüngere Nachfahren das Zepter übernehmen, egal von welchem Zweig. Eins ist für Autofachmann Bratzel sicher: „Einen so starken Einfluss auf die Autobranche ausüben wie Ferdinand Piëch wird keiner der jüngeren Familienangehörigen.“