Mit der gleichen Einstellung meldete sich Giulia Enders zum Science-Slam an. Zusammen mit ihrer Schwester Jill, die in Karlsruhe Kommunikationsdesign studiert, bereitete sie den Vortrag vor. Ihr lockerer, manchmal schnodderiger Ton, mit dem sie die Vorgänge im Unterleib schildert, begeisterte die Zuschauer. Was daran liegen möge, dass ihre mädchenhafte Ausstrahlung und ihr kecker Ton einen interessanten Kontrast bilden, spekulierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Jedenfalls gewann Enders bei Slams in Freiburg, Berlin und Karlsruhe den ersten Preis.

 

Die Videos von den Veranstaltungen wurden dank einiger Blogger im Publikum bald zum Hit auf der Internetplattform Youtube. Dort entdeckte die Literaturagentin Petra Eggers die Medizinstudentin und fragte sie, ob sie über das „unterschätzte Organ“ ein Buch schreiben wolle. Sie wollte, legte für die Arbeit ein Freisemester ein, durchackerte weitere wissenschaftliche Studien, von denen viele erst jüngst publiziert wurden – und eroberte mit „Darm mit Charme“ die Bestsellerliste.

Zum Erfolg des Buches tragen zwei Dinge bei: zum einen Giulia Enders lockere Sprache mit Alltagsmetaphern. Da werden Bakterien zu Wesen, die Aufräumarbeit im Verdauungstrakt leisten, und Madenwurmweibchen zwinkern uns aus dem Anus zu. Zum Zweiten die Zeichnungen ihrer Schwester Jill, die der Darmflora im wahrsten Wortsinne ein Gesicht verleihen. Man kann aus den Bildern eine Menge lernen.

Besonders aufschlussreich für den interessierten Laien sind beispielsweise die Illustrationen zur Konsistenz des Kots und zur richtigen Sitzhaltung auf dem Klo. Die ist übrigens gar nicht so unwichtig, denn manche vorbelastete Menschen erleiden auf dem WC einen Hirnschlag, weil sie so angestrengt pressen. Sich zum Stuhlgang hinzuhocken, wie es die Asiaten tun, wäre besser als wie die Mitteleuropäer auf der Klobrille zu sitzen, weil sich in der Hocke der Schließmuskel besser entspannt und die Sache leichter durchflutschen kann. Beim Sitzen hingegen wird der Darm von einem lasso-ähnlichen Muskel wie ein Gartenschlauch abgeknickt. Weil europäische Toiletten zum Hocken nicht unbedingt geeignet sind, tut es auch ein Schemel, auf den man beim Sitzen die Füße stellt.

Seit ihrem Bucherfolg ist Enders so prominent, dass Journalisten bei ihrer Großmutter anrufen, um mehr über ihr Privatleben zu erfahren. Kein Wunder, schließlich bringt die langhaarige junge Frau seriöse Fernseh- und Radiointerviewer von Markus Lanz über Giovanni di Lorenzo bei „Drei nach neun“ bis zum Moderator des Schweizer Fernsehens sowie Journalisten so distinguierter Medien wie der FAZ dazu, sich mit ihr über das Pupsen und Kacken, über die Wirkung von Abführmitteln und die Vorteile des Kotzens zu unterhalten. Sie tut das so erfrischend und mit so viel Humor, dass ein Gefühl der Peinlichkeit überhaupt nicht erst aufkommt.

Zum ersten Mal beschäftigte sich Enders mit Fragen von Ernährung und Verdauung, als bei ihr im Alter von 17 Jahren eine Hauterkrankung ausbrach. Damals entdeckte sie eine kleine Wunde an ihrem Bein, die lange nicht heilte. Ihre Hautärztin verschrieb ihr eine Salbe. Doch die brachte keinen Erfolg. Im Gegenteil, bald waren beide Beine, der Rücken, die Arme und zeitweise ihr Gesicht von Wunden übersät. Irgendeine Neurodermitis, diagnostizierten die Ärzte. Mit andern Worten: sie wussten nicht, worum es sich handelte.

Irgendwann stieß die verzweifelte junge Frau auf einen Bericht über einen ähnlichen Fall. Dabei hatten Antibiotika die Darmflora durcheinandergebracht und die Hautkrankheit ausgelöst. „Von diesem Moment an behandelte ich meine Haut nicht mehr wie die eines Hautkranken, sondern wie die eines Darmkranken“, erinnert sich Enders. Sie verzichtete auf Milchprodukte und weitgehend auf Gluten, ernährte sich gesünder. Außerdem las sie medizinische Fachartikel und stellte dabei fest, dass ihr die Lektüre Spaß machte. So wuchs ihr Interesse an der Medizin. „Ich wollte auf jeden Fall etwas studieren, was nicht von Menschen erfunden worden ist, sondern mich mit natürlichen Systemen beschäftigen“, sagt sie.

Enders, die in Mannheim aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, entschied sich für die Goethe-Universität in Frankfurt am Main. „Ich dachte, dass es gut wäre, ein bisschen von zu Hause wegzugehen. Ich bin ein totaler Nesthocker und muss meistens zum Urlaub gezwungen werden – dass Tapetenwechsel aber dann doch meistens eine gute Sache ist, weiß ich spätestens nach meinem Jahr in den USA.“ Sie fährt allerdings bis heute fast jedes Wochenende nach Mannheim, um ihre Familie zu sehen.

Nachdem ihr Mitbewohner die Frage nach dem Kacken aufgeworfen hatte, testete Enders, wie ihr Thema bei Konversationen unter Freunden und mit Fremden ankommt. Nun ist das mit Darmvorgängen so eine Sache. Während Menschen bei offizielleren Anlässen ohne Probleme über ihre Herzprobleme reden und seit der Popularisierung der Neurowissenschaften fast jeder etwas zur Funktionsweise des Gehirns beizutragen hat, fällt das Gespräch über den Darm unter ein Scham-Tabu. Enders hingegen entschloss sich, ganz zwanglos zu plaudern – auch während ihrer medizinischen Praktika mit den Patienten. „Manchen ist es sehr peinlich, über ihre Darmprobleme zu reden. Ich spreche dann trotzdem weiter, aber flüstere dabei. Nach einer Minute müssen wir dann oft beide lachen. Mit Humor geht vieles einfacher.“

Der erste Preis für Vorgänge im Unterleib

Mit der gleichen Einstellung meldete sich Giulia Enders zum Science-Slam an. Zusammen mit ihrer Schwester Jill, die in Karlsruhe Kommunikationsdesign studiert, bereitete sie den Vortrag vor. Ihr lockerer, manchmal schnodderiger Ton, mit dem sie die Vorgänge im Unterleib schildert, begeisterte die Zuschauer. Was daran liegen möge, dass ihre mädchenhafte Ausstrahlung und ihr kecker Ton einen interessanten Kontrast bilden, spekulierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Jedenfalls gewann Enders bei Slams in Freiburg, Berlin und Karlsruhe den ersten Preis.

Die Videos von den Veranstaltungen wurden dank einiger Blogger im Publikum bald zum Hit auf der Internetplattform Youtube. Dort entdeckte die Literaturagentin Petra Eggers die Medizinstudentin und fragte sie, ob sie über das „unterschätzte Organ“ ein Buch schreiben wolle. Sie wollte, legte für die Arbeit ein Freisemester ein, durchackerte weitere wissenschaftliche Studien, von denen viele erst jüngst publiziert wurden – und eroberte mit „Darm mit Charme“ die Bestsellerliste.

Zum Erfolg des Buches tragen zwei Dinge bei: zum einen Giulia Enders lockere Sprache mit Alltagsmetaphern. Da werden Bakterien zu Wesen, die Aufräumarbeit im Verdauungstrakt leisten, und Madenwurmweibchen zwinkern uns aus dem Anus zu. Zum Zweiten die Zeichnungen ihrer Schwester Jill, die der Darmflora im wahrsten Wortsinne ein Gesicht verleihen. Man kann aus den Bildern eine Menge lernen.

Besonders aufschlussreich für den interessierten Laien sind beispielsweise die Illustrationen zur Konsistenz des Kots und zur richtigen Sitzhaltung auf dem Klo. Die ist übrigens gar nicht so unwichtig, denn manche vorbelastete Menschen erleiden auf dem WC einen Hirnschlag, weil sie so angestrengt pressen. Sich zum Stuhlgang hinzuhocken, wie es die Asiaten tun, wäre besser als wie die Mitteleuropäer auf der Klobrille zu sitzen, weil sich in der Hocke der Schließmuskel besser entspannt und die Sache leichter durchflutschen kann. Beim Sitzen hingegen wird der Darm von einem lasso-ähnlichen Muskel wie ein Gartenschlauch abgeknickt. Weil europäische Toiletten zum Hocken nicht unbedingt geeignet sind, tut es auch ein Schemel, auf den man beim Sitzen die Füße stellt.

Seit ihrem Bucherfolg ist Enders so prominent, dass Journalisten bei ihrer Großmutter anrufen, um mehr über ihr Privatleben zu erfahren. Kein Wunder, schließlich bringt die langhaarige junge Frau seriöse Fernseh- und Radiointerviewer von Markus Lanz über Giovanni di Lorenzo bei „Drei nach neun“ bis zum Moderator des Schweizer Fernsehens sowie Journalisten so distinguierter Medien wie der FAZ dazu, sich mit ihr über das Pupsen und Kacken, über die Wirkung von Abführmitteln und die Vorteile des Kotzens zu unterhalten. Sie tut das so erfrischend und mit so viel Humor, dass ein Gefühl der Peinlichkeit überhaupt nicht erst aufkommt.

Der Mensch hat zwei After-Schlussmuskeln

Da ist zum Beispiel die Sache mit dem Kacken. „Ich hätte nicht gedacht, dass mir die Frage einmal so oft gestellt wird“, sagt Giulia Enders lachend. Aber sie beantwortet sie immer wieder gern, weil sie den Körpervorgang so spannend findet. Der Mensch verfügt nämlich über zwei Schlussmuskeln am After. Den äußeren kann das Gehirn bewusst steuern, den inneren nicht. „Wenn unser Gehirn es unpassend findet, jetzt auf die Toilette zu gehen, dann hört der äußere Schließmuskel auf das Bewusstsein und hält so dicht, wie er eben kann“, schreibt sie in ihrem Buch. „Der innere Schließmuskel ist der Vertreter unserer unbewussten Innenwelt. Ob Tante Berta pupsen mag oder nicht, interessiert ihn nicht. Ihn interessiert einzig und allein, ob es uns im Innern gut geht. Ginge es nach ihm, könnte Tante Berta öfter pupsen.“

Irgendwie müssen die beiden Schließmuskeln einen Ausgleich zwischen sozialer Angemessenheit und innerer Notwendigkeit finden. Das geschieht, indem der innere Schließmuskel einen Probehappen durchlässt. Sensorzellen zwischen den beiden Muskeln analysieren die Probe und schieben sie wieder zurück, falls der Augenblick gerade ungünstig ist. Bei Festerem ist das abseits von Toiletten fast immer der Fall. Bei Gasen kann es gesünder sein, sie auch mal rauszulassen. Der Talkshowmoderator und „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hörte diesen Hinweis mit Entzücken. „Sie haben mein Leben verändert“, sagte er zu der jungen Buchautorin.

Für Giulia Enders ist jetzt erst einmal Schluss mit Interviews. Nur noch einige Lesungen stehen auf dem Programm. Sie will sich auf ihre Doktorarbeit konzentrieren. Darin geht es um Acinetobacter baumannii, ein Bakterium, das beim Menschen Wundinfektionen, Atemwegsinfekte, Hirnhautentzündung und Blutvergiftung verursachen kann. „Er kann auch im menschlichen Darm vorkommen und hat einige spannende Eigenheiten: Mit Hilfe eines Proteins kann er sich an Oberflächen anheften. Etwa in unserem Darm“, erzählt sie dem Wissenschaftsportal „Science-Blog“. „Wir haben mit einem Knockout (Deaktivierung eines Gens) experimentiert und getestet, wie gefährlich er dann noch ist. Ohne das Protein könnte sich Acineotobacter nicht mehr an Oberflächen anheften, dann wäre er nicht mehr gefährlich. Unser Ziel ist die Entwicklung von Antikörpern, aber die sind noch im Test.“

Nach der Doktorarbeit folgen für Giulia Enders Famulaturen, Staatsexamen, Klinikjahre und eine Facharztausbildung zur Gastroenterologin. Ihr Lieblingsthema wird sie so schnell nicht wieder loslassen. Schließlich ist ihr der Darm, wie sie einmal in einem Interview bekannte, zu einem guten Freund geworden.